Die Mitte ist überfischt, die Parteien ziehen weiter

Lüneburg, 28. September 2017

Mit den Parteien ist es wie mit den Fischern. Sind die Fanggründe leer, ziehen sie weiter oder dahin zurück, wo sie lange nicht gefischt haben. In der Hoffnung, dass da noch ein Kreuz zu holen ist.  Vor gut zwei Jahrzehnten drängten die Parteien alle in die Mitte, weil da die meisten Fische/Wähler schwammen. Die SPD kam von links, die CDU von  rechts  und der legendäre CSU-Chef Franz-Josef Strauß garantierte, und das wurde zum Hit: „Es gibt nur eine Mitte.“ Und da stand natürlich der Bayer. Die Liberalen wurden zahmer. Der Rest ist bekannt – die Mitte ist überfischt.

Die SPD schleicht sich wieder nach links, soweit das die Abgrenzung zur Linken erlaubt. Die CDU nach rechts, soweit das die AfD erlaubt. Und die FDP wird digital-liberal, was immer das ist. Die AfD hat die Parteisäulen ins Wanken gebracht.

Noch sind die etablierten Politiker gar nicht in der Erkenntnisphase der Wahlbetrachtung, sie rudern instinktiv rückwärts, weil es für sie erstmal die einfachste Bewegung auf vertrautes Terrain ist. Ansonsten sind sie noch in Pöbellaune wie SPD-Fraktionschefin Nahles, gerade noch Ministerin der GroKo, die will der Union jetzt „in die Fresse“ hauen. Herr Gauland ist auf Merkel-Treibjagd. Was für eine Polit-Subkultur.

Wir in Lüneburg haben schon ein Jahr Erfahrung mit der AfD im Rat: Was kann der Bundestag von Lüneburg lernen?

Vielleicht so viel: Wenn über die Sitzordnung im Parlament so heftig gestritten wird wie im Lüneburger Rat, dann wird es dauern, bis der Bundestag über Sach- statt Sitzfragen redet.

Wenn jeder Antrag der AfD dazu dient, den braunen Bodensatz zu suchen, wird es auch um viel Lärm um nichts gehen.

Die AfD ist im Grunde ein Spiegel. Gut 13 Prozent der aktiven Wähler haben sich in dem Spiegel erkannt, ihre Angst, ihre Wut, ihr „Ich-komme-zu-kurz“. Wenn die Treibjagd zu Ende ist und der Poplismus langweilt, wenn wir bei den Sachfragen ankommen, dann schauen sicher auch AfD-Wähler  mal hinter den Spiegel.

Hans-Herbert Jenckel

Über jj

Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
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3 Antworten zu Die Mitte ist überfischt, die Parteien ziehen weiter

  1. Klaus Bruns schreibt:

    der wahlkampf um den landtag muss sehr leise sein. weder hier noch anderswo ist was zu hören. hat die bundestagswahl so erschüttert? war man so überrascht? wenn ja, selbst schuld. wenn nein, wurde nichts dazugelernt.

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  2. Hatten wir in Deutschland nicht das Denken in diesen Kategorien überwunden? In Frankreich, England oder in den USA ist das Bewusstsein für Klassenunterschiede ein alltäglicher Begleiter der Menschen. Bei uns nicht. Warum?

    Die Westdeutsche Nachkriegsgeschichte ist von einer Mitte-Erzählung (nivellierte Mittelstandsgesellschaft) geprägt, die vom Vergessen der Klassen lebt. Das zeigt sich auch im aktuellen Diskurs über das nicht mehr zu leugnende Ausmaß sozialer Ungleichheit (Working poor, Altersarmut, Pflegeleistung bei Fachkräftemangel, bezahlbarer Wohnraum, ärztliche Zusatzleistungen, Transferleistungen, Ernährung, etc…
    Wovon schweigen wir, wenn wir heute von der überfischten Mitte reden? Die Trivialbeschwörung der Menschen, die das Land in Gang halten, die herrschende Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verhältnisse? Profitierten die Parteien so lange von einem Trugbild einer breiten Mitte jenseits der Klassen?
    Die DDR versuchte sich an der klassenlosen Gesellschaft. Wobei zu bedenken ist, dass die Deutschen in der DDR fast allein – und stellvertretend für uns – in unverhältnismäßig hohem Maß den von allen Deutschen gemeinsam verlorenen Krieg bezahlten Die Utopie der Bundesrepublik kannte nur die Mittelschicht. Die meisten Deutschen sind also mit nur einem geringen Bewusstsein für Standesunterschiede aufgewachsen. Seit einigen Jahren ändert sich das. Die Unterschiede werden stärker wahrgenommen. Womöglich ist Deutschland auf dem Weg zurück zur europäischen Klassengesellschaft? Könnte das rückwärts rudern der Parteien ein Indiz hierfür sein?
    Die unterschiedlichen sozialen Schichten fangen an sich stärker voneinander abzugrenzen. Der Graben wird breiter. In der Mittelschicht wird gesunde Ernährung zur Statusfrage. In den Aufsteigervierteln eröffnet ein Biomarkt nach dem anderen. Fastfood dagegen entwickelt sich zur Hauptnahrung der Unterschicht. Die intakten Familien halten Drogen, Dreck, Gewalt – und vor allem die schlechten Schulen nicht mehr aus. Eine Abstimmung mit dem Möbelwagen?
    Die Mitte der Nichtwähler scheint in noch tieferen Wasserschichten zu schwimmen, als die Fangnetze der jetzigen Parteien überhaupt hergeben…

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  3. Klaus Bruns schreibt:

    die spd schleicht nach links? ha ha. ein bekanntes spd-mitglied ,ein herr auf und davon aus hamburg, ehemaliger bürgermeister von hamburg hat bestätigt, bei der wahl die spd nicht gewählt zu haben. die spd hat davon eine menge mitglieder(u-boote). solange die nicht aus der spd verschwinden, gibt es für die spd nur einen ruck nach unten.die afd freut sich darüber.

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