Wenn’s brenzlig wird, kommt der Berater um die Ecke

Ohne Berater geht es heute auch in Lüneburg nicht mehr, auch für die Innenstadt-Rettung wurde ein externer Spezialist engagiert. Montage: jj

Zum Wochenende leichte Kost. Es gibt die Wirtschaft und die berüchtigte wiewohl weitverbreitete Schattenwirtschaft, und ja, glauben Sie mir: Es gibt nicht nur Behörden, sondern auch eine Art Schattenwelt der Behörden. Dort tummeln sich die Berater. Diese beiden Biotope überschneiden sich aber nur in einem einzigen Punkt: Es wird gut verdient. In der Schattenwirtschaft steuerfrei, in der Schattenbehörde wird natürlich versteuert. Denn die gut bezahlten Experten hoffen auf Folgeaufträge.

Der Bund als Vorbild
Die Kommunen schauen beim Engagement der Berater zu großen Vorbildern auf: Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Milliarde in externen Sachverstand investiert. Ein neuer Rekord.

Aber auch in der Provinz sind die Berufsoptimisten gefragt. Was wäre die Arena Lüneburger Land heute ohne gute Berater? Ja, man war erst schlecht beraten und hat draufgezahlt, dann aber hat man neue Mentoren engagiert, um das Millionen-Malheur in den Griff zu kriegen.

Oder nehmen Sie die leuphanistische Libeskind-Legende. Danach hatten eigentlich die Studenten bei einer New-York-Exkursion die zackigen Ideen fürs Audimax und der Stararchitekt war eher in der Rolle des Tutors. Vielleicht wäre  fürs Finanzmanagement noch ein externer Erbsenzähler gut gewesen. So wurde es am Ende doch sündhaft teuer.

Und wo wir bei Finanzen sind: Ich möchte nicht in der Haut der Anlageberater stecken, die für Kommunen bei der Bremer Pleite-Bank Greensill in der Hoffnung auf fette Dividende Millionen geparkt haben. Alles perdu. 

Im Beraterstab werden die Weichen gestellt
Ich rate trotzdem schon länger allen Lobbysten unter meinen Freunden: Haltet euch an den Beraterstab. Der
 ist heute, was früher die Ministerialadministration war: Dort werden die Weichen gestellt.

Auch Lüneburgs Stadtentwicklungskonzept wäre, da bin ich sicher, nicht ohne Think Tank zu stemmen und sonst immer noch Wunschdenken. Und bei Rettung der kollabierenden Fußgängerzonen ist natürlich ein Profi-Tutor an Bord, für den sogar Wirtschaftsminister Altmaier ein Ohr habe, warb er in eigener Sache beim Innenstadt-Dialog im Audimax.

Mit SWAT-Team gegen Leerstand
Der oft gebuchte 
Denkfabrikant fuhr bei der Live-Schalte schweres Geschütz auf. Er hat die Vision von einem SWAT-Team für LG. Das steht für Special Weapons And Tactics. Zum Glück saß er im Sweatshirt vorm Bildschirm und nicht mit Schussweste. Aber auch so weckt die Counter-Strike-Rhetorik hohe Erwartungen, dass da doch einige bombige Ideen platziert werden.

Natürlich sind die Experten nicht billig. Drei, vier intensive Tage können in der Berater-Bundesliga schon mal so viel kosten wie ein gut ausgebildeter Fachbereichsleiter im Monat. Bei Top-Agenturen dürfen es auch gerne noch ein paar Tausender mehr sein. Aber die ewige Klage über Berateritis und Gutachteritis ist ein alter Hut.

Tatsächlich erfüllen die behördenfremden Fachleute drei wichtige Aufgaben: Sie kommen, wenn die Karre schon im Dreck feststeckt, sie decken Arbeit ab, die sonst aus Überlastung oder Angst in der Schublade verschwindet. Und vor allem: Sie verbreiten in Verwaltung, bei Kommunalpolitikern und Bürgermeistern ein Gefühl der Sicherheit. Ihr Naturell ist auf Problembewältigung programmiert . Sonst würde man sie auch gar nicht engagieren.

Und wenn es dann doch mal schief geht, ja, dann ist zwar nicht gleich der Berater schuld. Aber Rat und Bürgermeister auch nicht. Sie haben es schriftlich in Form einer Rechnung und einer Studie, sie haben sich beraten lassen.

Verwaltung als Regiebetrieb
Natürlich wirft der Berater-Tsunami die Frage auf, ob man nicht, wenn man schon vermehrt auf Expertise setzt, die Verwaltung
in Teilen zum reinen Regiebetrieb verschlanken könnte. Aber da rate ich noch ab. Abwarten. Schon in Kürze werden Roboter so aufgerüstet sein, sozusagen ein digitales SWAT-Team, das das Intelligenz-Siegel „Beratertauglich“ verdient. Und wenn dann was schief geht? Dann ist garantiert der Roboter schuld und wird gefeuert. Und zwar ohne Kündigungsschutz und Abmahnung. Schönes Wochenende. 

Hans-Herbert Jenckel

Über jj

Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
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12 Antworten zu Wenn’s brenzlig wird, kommt der Berater um die Ecke

  1. jj schreibt:

    Beim Innenstadt-Dialog vor wenigen Tagen im Audimax hat Marketing-Chef Lars Werkmeister noch vorgestellt, was zur Rettung der Innenstadt getan werden müsste. Jetzt hat er gekündigt, nach nicht mal zwei Jahren. Das Marketing-Chef-Karussell dreht sich munter weiter. Am Abend des 30. März gab die Stadtpresse folgende Mitteilung raus:
    <img alt="" src="https://atomic-temporary-120202620.wpcomstaging.com/wp-content/uploads/2021/03/img_8114-e1617126258286.jpg&quot; title="
    Marketing-Chef gibt Leitung der LMG im Juni aus familiären Gründen ab

    Lüneburg. Der Geschäftsführer der Lüneburg Marketing GmbH, Lars Werkmeister, wird seine Position nach nur zwei Jahren aufgeben. Das hat Werkmeister dem Aufsichtsrat heute (30. März 2021) mitgeteilt. Der 38-jährige gab familiäre Gründe für die Kündigung an. Die Ehefrau Werkmeisters und die beiden kleinen Kinder leben in Nordrhein-Westfalen. Lars Werkmeister hat die Geschäftsführung der LMG zum 1. Juni 2019 übernommen.

    Die Aufsichtsratsvorsitzende der GmbH, Gabriele Lukoschek, bedauert das Ausscheiden des Geschäftsführers. „Lars Werkmeister hat in den zwei Jahren seiner Tätigkeit für die LMG verlorenes Vertrauen in die Marketinggesellschaft zurückgewonnen und einen ambitionierten Prozess der Neuausrichtung gestartet. Dabei wurde er von den Gesellschaftern und großen Teilen der Stadtgesellschaft sehr gut unterstützt. Er hatte zu jedem Zeitpunkt das volle Vertrauen des Aufsichtsrates.“

    Lukoschek bedauerte, dass es nicht gelungen sei, den hohen Zeiteinsatz und die Präsenz vor Ort, die für die Position an der Spitze der Lüneburg Marketing unabdingbar sind, mit den Anforderungen einer jungen Familie und zwei Wohnsitzen zu verknüpfen. „Gemeinsam mit Herrn Werkmeister haben wir in den vergangenen Monaten verschiedene Arbeitszeitmodelle diskutiert, aber leider keine für beide Seiten tragfähige Lösung gefunden“, sagt die Aufsichtsratsvorsitzende.

    Lukoschek kündigte an, dass man in den nächsten Tagen gemeinsam mit dem Geschäftsführer ein Ausstiegsszenario erarbeiten werde. Dazu gehöre es, die noch zu erledigenden Aufgaben zu definieren, die Übergabe zu besprechen und einen konkreten Beendigungszeitpunkt festzulegen. Dieser werde voraussichtlich im Juni liegen. Zugleich müsse ein Verfahren für die Neubesetzung der Geschäftsführerposition angeschoben werden.

    Weitere Einzelheiten wird die Hansestadt in den nächsten Wochen nach Abschluss der Vorbereitungen mitteilen.

    Hintergrund
    Die LMG hat insgesamt neun Gesellschafter, die Hansestadt Lüneburg ist Hauptgesellschafter und stellt zugleich den Vorsitz im Aufsichtsrat der LMG.

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  2. Gunther Horn schreibt:

    Sehr geehrter Herr Jenckel,

    „es gibt nicht nur Behörden, sondern auch eine Art Schattenwelt der Behörden“?

    Sogar in Lüneburg?

    Ein sportiver Jungunternehmer mit chinesischer Gender*Innen-Expertise und exzellenten CDU-Kontakten (w/m) weiß, wie unter Abgeordnetenden in Rat und Kreistag für glasklare Durchsicht gesorgt werden kann: https://www.titanic-magazin.de/fileadmin/_processed_/9/b/csm_Bestechlichkeitstest_180ed8db41.jpg

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  3. Jule Grunau schreibt:

    Lieber Herr Jenckel, da möchte ich Ihnen Wiedersprechen, dass sich Kommunalpolitiker*innen in Sicherheit wiegen, wenn externe Beratende engagiert werden. Im Gegenteil. Ich traue den Mitarbeitenden der Verwaltung oft mehr zu als irgendwelchen Beratenden. In meiner Wahrnehmung müsste man sie nur einfach mal machen lassen und ihnen vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr zutrauen und Ressourcen zur Verfügung stellen. Gerade in Bezug auf das Innenstadtkonzept bin ich mir sicher, dass die Stadt genug eigene Leute hat, die an Neukonzeptionen ohne externe Beratende arbeiten könnten. Als Kommunalpolitikerin wird mir sogar eher Bange, wenn ich mir die Diversität der Beteiligten anschaue, die für uns ein zukunftsorientiertes Innenstadtkonzept entwickeln sollen. Ich bin da unter anderem auf der Suche nach jungen Menschen, nach Frauen und nach der Sicht der Verbraucher*innen.
    Um wenigstens eine Akzeptanz von Beratenden zu schaffen würde es auch helfen, wenn in diesem Fall der Rat bei der Auswahl und dem Vorgehen mit eingebunden werden würde.

    PS. Als Leserin freue ich mich, wenn Sie mal einen Schritt in Richtung geschlechtergerechte Sprache machen. Es gibt auch Beraterinnen, Politikerinnen und Bürgermeisterinnen.

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    • jj schreibt:

      Liebe Frau Grunau,
      da haben Sie recht. Da muss ich noch an mir arbeiten. Allerdings finde ich, dass der gehäufte Gebrauch von Bürgerinnen und Bürgern, oder Bürger*innen oder Bürger/innen durch aus einen Text sperrig machen kann. Hätte ich nur eine Wahl, würde ich mich dann für die weibliche Variante entscheiden.
      Denn die Zeit des Patriarchats ist abgelaufen. Auch da leben wir in einer, wenn auch zähen Übergangszeit. Und wir in Lüneburg, das haben wir gerade wieder gesehen, leben da oft genug leider noch hinter dem Mond. LG jj

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      • Andreas Janowitz schreibt:

        Da schmeiss ich mir lieber hinter`m Mond Bratlinge in die Pfanne und mache mir vor der Fleischersatz genügte für den hohen Moralzossen.

        Können Sie mir erklären wie man diese regellos zusammengewürfelte Quatschsprache irgendjemandem beibringen soll?! Eine „gerechte geschlechtsneutrale“ Sprache müsste dann logischer Weise nurnoch den Artikel „das“ verwenden, somit müsste z.B. der Satz :“…nach Frauen und nach der Sicht das Verbraucher*innen.“ lauten. Und nein auch „beratende“ wäre kein Fluchtkonstrukt, denn man müsste konsequenter Weise von:“ Um wenigstens eine Akzeptanz von Beratenden*innen zu schaffen würde…“ schreiben. Die sowieso missratende Rechtschreibreform kann man gleich zugunsten von völlig wahllosem gequatsche streichen und das Fach „deutsch“ an den Schulen ersatzlos gleich mit.

        Ich hab´s nicht gerade mit der Rechtsschreibung allerdings macht sich offenbar niemand der neutraleiferer auch nur einen Gedanken über den Rattenschwanz an Problemen, die dieser grotesk nutzlose Moralgaul mit sich bringt.

        Wo sich dann- ulkiger Weise- missratene öffentliche Bauaufträge und geschlechtergerechte Sprache im unentwirrbaren Knoten aus Fehlentscheidungen und von vornherein undurchdachtem Unfug treffen.^^

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      • Beverly Wittkowski schreibt:

        Herr Jannuwitz? Ich versteh immer nicht? Was Sie des Puplikums mit teilen wollen?? Haben sie noch, nie von die leichte Sprache gehört? Was ist treffen.^^???

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    • Klaus Bruns schreibt:

      Jule Grunau geschlechtergerechte Sprache? Ich finde es albern. besser wäre es , wenn die männer schon mal anfangen würden, dafür zu sorgen, dass ihre frauen die gleichen chancen und die gleiche bezahlung, wie die männer, bei und für ihre arbeit bekommen. der genderismus hilft da keinen schritt weiter. er sorgt nur für verwirrung. nachrichtensprecher(innen) bekommen schon kräftigen gegenwind. Bisher gibt es im ZDF keine verpflichtende Vorschrift für eine gendergerechte Sprache. Claus Kleber, Moderator des „heute-journal“, verhält sich so: „Ich habe 50 Jahre lang anders gesprochen: Wissenschaftler, Ärzte, Journalisten“, sagte der 65-Jährige der „Zeit“. „Heute gendere ich, wenn ich denke, dass es im konkreten Fall eine Erkenntnis bringt, bei Fernfahrer:innen oder Chefärzt:innen zum Beispiel.“ Er tue dies „aber nicht mit religiösem Eifer“.

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      • Claus-C. Poggensee schreibt:

        Nachdem Sie mich auf facebook geblockt haben, Herr Bruns *schmunzeln*, hier im freien Forum dann doch eine Replik zur sog. geschlechtergerechten Sprache. Sie kritisieren das fehlende Engagement von Männern beim Einsatz für gleiche Chancen und die gleiche Bezahlung. Sympathisch. Schließt das eine das andere aus? Wo haben Sie sich bisher für ersteres eingesetzt?

        Natürlich kann mensch das Gendern übertreiben. Und in bestimmten Fällen macht es sprachlich auch keinen Sinn. Da hat auch Herr Janowitz recht, obwohl ihm mangels Zeichensetzungskompetenz hier niemals gelingen wird, ein Zeichen zu setzen. Ich verstehe auch die Angst von Herrn Janowitz. Wenn neben Zeichensetzungsinkontinenz nun auch noch Sprachschwierigkeiten beim Gendern hinzukommen, wird es zu Ladehemmungen beim Posten kommen müssen. Das wäre schade.

        Sie, Herr Bruns, ignorieren seit Jahren mit Kleinschreibung die Regeln des „Dude“. Und kritisieren dann die angebliche Verwirrung durchs Gendern. „ich habe liebe genossen“ ist längst ein Klassiker, „komm wir essen opa“ auch. Eine Doppelmoralrolle vorwärts und landen Sie bitte sanft.

        Nach wie vor verweise ich gern auf die Seite https://geschicktgendern.de/muss-das-sein/ Eine Meng:innen Problem:innen sind dadurch locker lösbar. Man(n) muss es nur auch wollen.

        Gesegnete Ostertage. Take care und bleiben Sie alle gesund.

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    • Werner Mellentin schreibt:

      Frau Grunau.

      Sie schreiben: „Ich traue den Mitarbeitenden der Verwaltung oft mehr zu als irgendwelchen Beratenden. In meiner Wahrnehmung müsste man sie nur einfach mal machen lassen und ihnen vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr zutrauen und Ressourcen zur Verfügung stellen. Gerade in Bezug auf das Innenstadtkonzept bin ich mir sicher, dass die Stadt genug eigene Leute hat, die an Neukonzeptionen ohne externe Beratende arbeiten könnten.“

      Wenn Sie, Frau Grunau, also den Mitarbeitenden der Verwaltung in der Mehrzahl der Fälle mehr zutrauen als externen Beratern – warum ist dieses Zutrauen bei der Verwaltung selbst dann nicht entsprechend ausgeprägt? An der Verwaltungsspitze dürfte es doch wohl nicht liegen. Oberbürger*innenmeister Mädge lässt doch in Ratssitzungen keine auch nur ansatzweise geeignete Gelegenheit aus, die hervorragenden Leistungen der Verwaltungsmitarbeitenden in höchsten Tönen zu preisen. Und auch die Ratsmitglieder sparen bei solchen Anlässen nicht mit dem Abbrennen von virtuellem Weihrauch.

      Aber wann gab es von Ihnen oder Ihrer Fraktion resp. anderer Fraktionen einmal Widerspruch, wenn es darum ging, externe Berater zu einem Themenkomplex heranzuziehen? Also Widerspruch dahingehend, vorzugsweise das Wissen und die Fähigkeiten der eigenen Stadtverwaltung zu nutzen anstatt hochpreisige Beratungsleistungen einzukaufen?

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  4. Sander Thomas schreibt:

    Ein unergründliches Dunkelfeld ist die Anzahl der Corona-Hirngeschädigten, die testnegativ und symptomlos sind. Auch wenn gelegentlich Indizien dafür auftauchen, so wird der Verdacht, dass Obengenannte in Berater-/Entscheiderkreisen signifikant gehäuft vertreten sind, sich nicht verifizieren lassen. Auch Schönes Wochenende !

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