
Roger de Weck (Foto: jj) fordert, dass der Nutzer im Netz mehr Klarheit und Selbstbestimmung über die Wahl des Algorithmus haben sollte, der ihn aufspürt und ihm dank Tracking ein scheinbar maßgeschneidertes Angebot liefert. Denn heute ist das Netz der Sumpf, in dem vor allem Klickraten zählten als Währung dank fragwürdiger Zuspitzungen um jeden Preis. Auf der Strecke bleibe der Journalismus.
de Weck war jetzt zu Gast im Literaturbüro im Heine-Haus, ein Journalist alter Schule. Er sieht seine Profession arg in Bedrängnis. Er warnt nicht nur vor den allseits beklagten Gefahren von Social-Media-Plattformen und der Anonymität von Hasskommentatoren, die eingedämmt gehöre. Er fordert vor allem, den Journalismus zu retten. Statt des Wissen-Wollens eine Berichterstattung, die auf recherchierte Daten, Faktencheck und gehörigem Abstand zum Gegenstand der Berichterstattng setze. Stattdessen sieht er immer mehr Journalismus, der ums Publikum buhle. „Substanzverlust wird durch Dramatisierung ausgeglichen.“
Er fordert Redaktionen, die so ausgestattet sind, dass sie auch sauber arbeiten können. Wo es so ist, gewinne auch die Abo-Zahl. Andernfalls drohten die journalistische Verödung ganzer Landstriche und freie Bahn für die Kanäle im Netz, die nicht von Fakten, sondern von Fake-News und Wissen-Wollen leben. Etwas nicht zu wissen, das gebe es nicht mehr, dann werde lieber Pseudo-Wissen angeboten.
Ganz so verhielt es sich für mich in den letzten Tagen mit dem Thema Neuwahlen, die Könnte-Sein-Nachrichtenlage glich einem Tsunami. Jeder Atemzug, jedes noch so kleine Gerücht war eine Nachricht wert, jede noch so winzige Nuance in der Frage, ob die Wahlen früher oder später stattfinden können oder sollten, musste berichtet werden. Es kam das Gefühl auf, es ginge um Leben und Tod. Tut es aber nicht. Es ist das Diktat des Netzes, das 24 Stunden an ADHS leidet und gefüttert werden will. Und je mehr es gefüttert wird, um so nervöser und hungriger wird es.
Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Internet-arme Zeit als wir in einem ausgeräumten Zimmer im Bergström mit dem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und seiner Cohiba Espléndidos und einem schweren Rotwein die Köpfe zusammensteckten, und Schröder auf einmal frohlockte. „Nun lasst uns doch mal hier aus Lüneburg ein schönes Gerücht übers Land schwappen. Ich sei für die Abschaffung des Buß- und Bettages als Feiertag.“ Das werde die Sozialpolitiker unter den Genossen auf die Palme bringen, gerade den Dreßler. Das war der Schröder, der mal meinte: „Zum Regieren brauche ich BILD, BamS und Glotze.“ Was ihm heute wohl dazu einfiele?
Hans-Herbert Jenckel
Vor allem Medium (und klare Rendite) oder auch noch ein wenig Journalismus (und wahre Information)? Bei manchem Verleger scheinen die Präferenzen eindeutig.
Vergleiche hier.
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Auszüge aus der Einleitung von Roger de Wecks neuestem Buch, das fragt „Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ und den immer weniger werdenden wirklichen Journalisten (wie Hans-Herbert Jenckel etwa) „Das Prinzip Trotzdem“ (das verantwortungsvolle, kompetente, zugleich selbstkritische und der eigenen Fehlbarkeit bewusste Durchdringen des Stoffs) empfiehlt:
Dazu zwei illustrierende Beispiele aus der Hansestadt Lüneburg:
1. Der neue Chefredakteur der Landeszeitung befördert und bejubelt schon seit zwei Jahren den Vorstandsvorsitz im „Wasserforum“, einem Verein zum Schutz unseres Grundwassers, durch den Geschäftsführer des größten, quasi-monopolistischen Ausbeuters, Verwerters und Verkäufers dieser für Flora und Fauna (inklusive dem Menschen) überlebenswichtigen Ressource in unserer Region. „Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch […] übernimmt zusammen mit Landrat Jens Böther die Schirmherrschaft über den Verein.“
2. Der junge Geschäftsführer der web-netz GmbH betätigt sich seit zwei Monaten verstärkt als politischer Agitator gegen „die Lüneburger Stadtverwaltung“ und musste sich gestern in einem Leserkommentar (vom 13.11.2024 um 14:05:52 Uhr) unter seiner neuesten „Pressemitteilung„ fragen lassen, wo Wahrheit, logische Konsequenz und Kongruenz von Handeln und Bezichtigen in seinem permanenten Sirenengeheul auffindbar sind:
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Ich wüsste nicht, dass Herr Kolbe irgendwas „bejubelt“ hätte. Mir scheint, sie brauchen immer jemanden, an dem Sie sich abarbeiten können. Nehmen Sie gerne mich 🙂
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Lieber Herr Jenckel,
zwei Punkte (und ein PS):
A) – Von meinen vier kurzen Zitaten aus dem 224 Seiten umfassenden Buch von Roger de Weck hatten Sie zwei – in meinen Augen (an der einen oder anderen Stelle auch für Lüneburg) zentrale – gestrichen:
B) – Wenn ich moniere, dass der Bock zum Gärtner gemacht wird, Thomas Meyer, Geschäftsführer der Avacon Wasser in der LZ vor, zur und nach der Vereinsgründung in mehreren Artikeln und werbenden Kommentaren von Werner Kolbe extensiv zu Wort kommt, portraitiert und zitiert wird (und sofort als probates regulatorisches Mittel die Preisgestaltung „favorisiert“), dann arbeite ich mich nicht am heutigen Chefredakteur ab, sondern beklage, dass Herr Kolbe sich seinen eigenen Texten gegenüber – in diesem Fall – VOR der Veröffentlichung NICHT so verhalten hat, wie die es ausnahmslos immer tun sollten, welche Roger de Weck davon abhalten, am JOURNALISMUS zu verzweifeln: „Wenn Fachleute journalistische Beiträge zu ihrem Wissensgebiet lesen, sehen sie oft Fehler, Ungenauigkeiten, Unkenntnis relevanter Zusammenhänge, falsche Proportionen“ (S. 14), was sie, das ergänze ich einmal, nach Möglichkeit sofort korrigieren oder nachträglich richtig stellen.
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PS:
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Arena, da schauen wir mal. Ansonsten helfen weniger Reingequetschtes und Seitenhiebe. Lg jj
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In diesem Sinne liebe Genossinnen und Genossen, auf in den Kampf. Venceremos.
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Wann, bei welcher Gelegenheit und in welchem Zusammenhang hat Gerhard Schröder denn diesen Aufruf von sich gegeben, Detlef?
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Liebe Gesine,
es begab sich zu einer Zeit….
https://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/c-lokalpolitik/der-alte-vorsitzende-ist-auch-der-neue-vorstandswahlen-bei-der-spd-doehren-wuelfel_a2428417
Herzliche Grüße
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