
Déjà-vu. Lüneburgs Kulturszene als Notstandsgebiet. Das hat uns 2023, Anfang 24 mächtig in Bann gezogen. Zum Glück linderten Sponsoren und temporäre Zugeständnisse von Gesellschaftern und Land die Not. An der grundsätzlich prekären Finanzlage des Theaters hat sich jedoch weiterhin nichts geändert. Nicht nur daran erinnert jetzt Lüneburgs bester Kulturkenner, Hans-Martin Koch. Außer den üblichen gravitätischen Leerformeln von den „konstruktiven Gesprächen“ ist wenig passiert, es ist nur schlimmer geworden.
Denn auch in den Museen wird die Luft dünne. Was haben eigentlich die Politiker in den letzten Monaten in Sachen Kultur gerissen, die vor einem Jahr so demonstrativ den Schulterschluss fürs Theater propagierten? Aus der Phalanx der aktuellen Bundestagskandidaten sitzen auch einige in Stadtrat oder Kreistag, vielleicht könnten die mal nicht nur übers Große und Ganze sinnieren, sondern auch im Detail Antworten geben.
Dem Theater fehlt weiterhin substanztiell eine Million. Und die Option, eine Sparte der Schaubühne zu streichen, um finanziell über die Runden zu kommen, ist lange nicht vom Tisch. Es ist nur ruhiger geworden – in der Politik.
Der neue Intendant Friedrich von Mansberg hatte etwas Luft – auch dank großzügiger Sponsoren, die Netzwerker Klaus-Peter Langlotz im Handumdrehen mobilisiert hat. Doch die Kur im Programm dauert länger, und ob er die Jugend zu Theaterfans wandelt, ist nicht ausgemacht. Sicher ist, die demographische Uhr tickt, die Stammkundschaft altert unerbittlich.
Jüngst hat von Mansberg es mit einer provokanten „La Traviata“ versucht, es hat aber nicht für Aufruhr und Schlagzeilen gereicht wie anno dunnemals bei Intendant Alexander de Montleart im Herbst `79 mit dem Geizigen von Molière. Damals eroberten erstmals Nackte die Heidebühne und Deutschland lachte über den Skandal in der Provinz, als alles in der Serie „Unter deutschen Dächern“ dem Fernsehpublikum präsentiert wurde. Ich wüsste auch nicht, wie man heute noch für Aufmerksamkeit sorgt. Gute Kritiken in der Lokalpresse reichen nicht aus.
Also lesen wir Gestanztes wie: Wir sind in guten Gesprächen, das Land sei gefordert. Kommt mir bekannt vor.
Nun gerät auch noch die Museumslandschaft ohne die Erlöse des Besuchermagneten Salzmuseum, wird sehr lange saniert, vollends auf die schiefe Bahn. Mit Büsten und Bildern und ausgestopften Wölfen ist der Nachwuchs nicht einzufangen. Wir haben es im Blog beklagt. Kindergeburtstage ja, Events ja, aber die Standard-Ausstellungen haben kaum mehr Anziehungskraft.
Und was passiert nun? Genau, wie beim Theater muss ein Gutachter ran. Das Drama-Drehbuch kennen wir. 1. Akt: Spannung, 2. Akt: Aufregung. 3. Akt: Protest. Epilog: Konstruktive Gespräche im Faselland.
Politik mag das Bohren dicker Brettern sein. In Sachen Kultur wird in Lüneburg deutlich mit zu kleinem Bohrer gearbeitet. In Fußball gäbe es eine Gelbe Karte wegen Zeitspiels.
Das Finanzdrama der Kultursparte geht weiter, und alle klagen, Kultur sei doch der Kitt der Gesellschaft. Aber offensichtlich gibt es doch immer Wichtigeres. Das ist ein Trauerspiel, das jetzt seinen x-ten Aufzug erlebt. Unwürdig. Klartext, bitte.
Hans-Herbert Jenckel
Fotos: jj
Robert Stolz schaut skeptisch auf Lüneburger Theater, das in eine ungewisse Zukunft geht. Intendant Friedrich von Mansberg wartet auf Geld.
Ich verstehe das nicht.
Zum x-ten Mal treten die Lüneburger Symphoniker mit Alexander Eissele an, »um das Großartige noch großartiger, das Sensationelle noch sensationeller zu machen – und um die Stimmung in der LKH-Arena zum Kochen zu bringen«.
Das Theater Lüneburg ist eine GmbH, ein kommunaler Eigenbetrieb, dem nicht verboten ist, Gewinne zu erwirtschaften.
Warum gelingt Friedrich von Mansberg nicht, was einer seiner Mitarbeiter, Alexander Eissele, Klarinettist der Lüneburger Symphoniker, ihm vormacht?
Warum versucht Herr von Mansberg nicht auch, »die Stimmung in der LKH-Arena zum Kochen zu bringen«? Ein populäres Musical wie im Stage Theater an der Elbe böte sich an – oder eine populär arrangierte Oper wie in Bregenz. Aber auch Theater für jedermann, wenn es mit Können, Schmäh und Schmackes (statt mit technischem Brimborium) vorgetragen wird, lockt großes Publikum, das gut unterhalten sein will, und spült – bei geringem Aufwand – reichlich Penunze in die darbenden Kassen.
Warum nicht brillanter Klamauk zu entertain-gesalzenen Preisen in der Arena an der Lüner Rennbahn und mit den dort erzielten Einnahmen querfinanzierter Gottesdienst am klassischen Bestand bzw. voraussetzungsreiches Experimentieren in hermeneutisch komplexen Versuchsanordnungen zu kultiviert-gemilderten Werten An den Reeperbahnen?
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Theater für Akademiker
Dass sich Theater auf ein akademisch gebildetes Publikum eingestellt haben, bestätigt Theaterkritiker André Mumot. Wer bestimmte Diskurse nicht mitverfolge und die Terminologie nicht kenne, werde immer wieder „vor den Kopf gestoßen“. Ein Beispiel dafür: „Hamlet“, inszeniert von Philipp Preuss am Anhaltischen Theater Dessau, 2023 eingeladen zum Theatertreffen Berlin. Ästhetisch interessant und mit gleich zwei Hamlets. Doch wer das Stück nicht genau kannte, hatte kaum eine Chance, es zu verstehen. Vor allem ein junges Publikum interessiert sich nach Überzeugung Mumots nicht dafür, wie „wahnsinnnig unkonventionell“ die Aufführung war.
die mittelschicht sorgt mit ihren politikvasallen eben gern für sich. bezahlen sollen es aber alle.
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Ihr toller Ferrari-Rollator ist nur für Sie in hundert Arbeitsgängen von Flavio Manzoni eigenhändig maßgeschneidert worden , Herr Bruns.
Bezahlen mussten ihn aber alle.
Von welcher Schicht sind denn Ihre Vasallen? Und wie haben Sie die in den Tiefen Staat in Reppenstedt eingeschleust, Klaus Bruns?
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Herr Jenckel, klartext von der politik? wie soll das gehen, wenn doch dort immer nur auf geschenke gewartet wird? wir bürgern zahlen doch am ende immer die zeche. und was die logik in der politik angeht, die geht doch dort regelmäßig auf grundeis. die gut betuchten können doch schon mal mit dem spenden anfangen. oder warten diese doch nur wie immer, auf dumme? bis auf banken , kann doch geld, was man nicht hat, doch nur einmal ausgeben. hat man für schulen noch geld? Beverly Schmalke hätte da so eine Idee. schmunzel.
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Jetzt fangen Sie ja schon wieder mit Ihrer Anti-Elbbrücken-Litanei an, Klaus Bruns.
Klar, bei Familie Bruns in Reppenstedts Dichterviertel und bei den Hamiltons in Lüneburgs Barckhausenstraße ist das Hihghbrow-Dreispartentheater sehr viel wichtiger als eine Lowbrow-Straßenstromquerung für die linkselbischen Mitarbeiterinnen von Bäcker Ickert Am Markt in Amt Neuhaus oder für die rechtselbischen Angestellten der Kreisverwaltung von Lüchow-Dannenberg an der Königsberger Straße in der Hauptstadt des Wendlands.
Mit Sicherheit holt der Adendorfer Uwe Dorendorf das CDU-Direktmandat im Bundestagswahlkreis 37, wenn es ihm noch vor dem 28. Februar gelingt, die Geldversorgung des Lüneburger Theaters für die nächsten 50 Jahre zu sichern. Bringt dagegen der Hohnstorfer Nico Abraham den Hannoveraner Stephan Weil dazu, den Bau der Brücke zwischen Darchau und Neu Darchau in der kommenden Woche erneut zu garantieren, dann dürfte jenem das Volt-Direktmandat im Ex-Wahlkreis von Eckhard Pols wahrscheinlich nicht zu nehmen sein.
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Sehr geehrter Herr Kuczynski,
vor zehn Tagen hat Herr Jenckel ein paar Fakten mitgeteilt.
Derzeit gibt es unter 74 niedersächsischen Abgeordneten aus allen Parteien 18 niedersächsische CDU-Abgeordnete im Bundestag. Kein einziger dieser 18 konnte dort über einen Platz auf der Landesliste einziehen. Und weil im Wahlkreis 37 das Direktmandat im Herbst 2021 an die SPD ging, konnte der damalige CDU-Direktkandidat zwangsläufig ebenfalls nicht reüssieren.
Herr Dorendorf, MdL, der auf Platz 32 der niedersächsischen Landesliste steht, wird also bei der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag am 23. Februar 2025 selbst dann nicht mit einem Mandat rechnen können, wenn er – aus Dankbarkeit für die von ihm maßgeblich erkämpfte finanzielle Sicherung des Lüneburger Theaters über die nächsten 50 Jahre – alle Zweitstimmen der rund 182-tausend Wahlberechtigten im Wahlkreis 37 in die CDU-Scheuer lenkt, da vor ihm zunächst alle gewählten Direktkandidaten und alle besser platzierten Listenkandidaten der Christdemokraten aus den übrigen 29 niedersächsischen Wahlkreisen avancieren. Auch Dr. Marco Schulze würde, gegebenenfalls ohne als Wahlkreisbewerber eine einzige Stimme erhalten zu haben, vor Uwe Dorendorf in den Bundestag gelangen.
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Ein neuer Handschlag zwischen Kunst und Kommerz wäre nötig. (Als Ehrung für den im Juni verstorbenen „Walzerkönig“ und Operettenkomponisten Robert Stolz wurde im September 1975 dessen Büste enthüllt. Mit Oberbürgermeister Alfred Trebchen auf dem frisch benannten „Robert-Stolz-Platz“ vor dem Theater Lüneburg waren seine Witwe Yvonne Louise „Einzi“ Stolz und die Opernsängerin Anneliese Rothenberger, rechts, zugegen. – Foto: LZ-Legende Josef Makovec)
Wenn es mobile Sportböden in der Landeskrankenhilfe-Arena gibt, dann muss es doch auch mobile Parkettböden fürs Theater Lüneburg geben.
Warum den Saal des Schauspielhauses An den Reeperbahnen 😉 nicht zwischen den Vorstellungen als Stadt- oder Multifunktionshalle für Schulen, Vereine, und Senioreneinrichtungen nutzen? Warum nicht mit Kegelfreuden, Tanzvergnügen, Firmenfeiern, spiritistischen Seancen, E-Gaming, Rats- und Kreistagssitzungen, Schützenwettbewerben, Club-Geschwofe, Swinger-Treffen, Indoor-Turnieren, Preisskatrunden und Gummitwist ein das Budget kräftigendes Zubrot verdienen? Ballett-, Orchester- und Ensemble-Proben sind auch im T.3, im Glockenhaus oder im Huldigungssaal möglich. Das Patengestühl aus dem Parkett des Großen Hauses wird rasch im Foyer gestapelt, der Boden hast du nicht gesehen durch einen Dienstleister (Herr Hoppe lässt grüßen) „vom Eise befreit“ und los geht es mit den weniger ernsten, aber einträglicheren Unterhaltungssachen: Ich höre schon des Dorfs Getümmel, / Hier ist des Volkes wahrer Himmel, / Zufrieden jauchzet groß und klein; / Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
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Zitat Hans-Herbert Jenckel:
Ich schon! Ein Vorschlag:
Statt – vollkommen chancenlos – den (vermeintlich) tabubrechenden und den (angeblich) erlebnissteigernden technischen Möglichkeiten der Porno- und Streaming-Industrie in Sachen stimulierend frivoler Wölbungen und virtuell simulierter Welten hinterherzuhecheln, sollten sich die Theatermacher darauf konzentrieren, mithilfe vorhandener Stücke und schauspielerischer Bühnenmittel (Mimik, Gestik, Stimme) den alltäglichen Irrsinn ihrer nächsten soziokulturellen Umgebung zu spiegeln. Aktuell, relevant, begeisternd und wirksam sein, heißt, das Allgemeine im Besonderen erkennbar werden zu lassen. Zum Beispiel:
● Wie das Zögern eine furcht- bzw. fruchtbare Form des Handelns wird: »Hamlet« (William Shakespeare)
● Wie Aufrichtigkeit wechselseitige Duldung ermöglicht: »Nathan der Weise« (Gotthold Ephraim Lessing)
● Wie die Prosa der Verhältnisse die Poesie der Herzen erstickt: »Kabale und Liebe« (Friedrich Schiller)
● Wie das Sprechen zerstört und repariert: »Der zerbrochne Krug« (Heinrich von Kleist)
● Wie Lügen eine ganze Stadtgesellschaft korrumpieren können: »Ein Volksfeind« (Henrik Ibsen)
● Wie Selbstgerechtigkeit in Katastrophen führt: »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« (Bertolt Brecht)
● Wie Erwartungen zum Krebs des Selbstbetrugs mutieren: »Tod eines Handlungsreisenden« (Arthur Miller)
● Wie Gier menschliche Beziehungen zerstört: »Der Besuch der alten Dame« (Friedrich Dürrenmatt)
● Wie ein Intendant über dem eigenen Abgrund schwebt: »Mein Fall Dr. Scharf« (Friedrich von Mansberg)
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wie wäre es mit kostendeckende eintrittspreise? wer doch angeblich so für die kultur ist, sollte doch in der lage sein , auf subventionen , die wohl nie enden sollen, zu verzichten. wer die musik bestellt , soll sie auch bezahlen, oder? na, wer lebt auf dauer gern von subventionen? wird diese behauptung ,von subventionen leben zu wollen, nicht immer den ärmeren untergejubelt? wie war das noch mit, auf der faulen haut liegen? diese subventions-gehäuse der mittelschicht zbs., museum, oper, theater gibt es doch nur in erster linie , dank der demokratie der mittelschicht und ihrer politischen vertreter.
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Wie ist es mit Schulen, Herr Bruns? Das sind doch auch nur „subventions-gehäuse der mittelschicht“!
Sind Sie bereit, die etwa 3.500 Euro im Monat zu bezahlen, damit Ihre Enkelin nach neun Jahren ihren Hauptschulabschluss bescheinigt bekommt?
„wie wäre es [dort] mit kostendeckende eintrittspreise? wer doch angeblich so für die kultur [also ‚Bildung‘] ist, sollte doch in der lage sein , auf subventionen , die wohl nie enden sollen, zu verzichten. wer die musik bestellt , soll sie auch bezahlen, oder?“
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