In Lüneburg hilft nur noch die Nationalgarde

Mit den Bildrechten ist das so eine Sache: Der gemeine Mann hat ein Recht am eigenen Bild. Ein Weltstar, ob aus Politik oder Film als absolute Person der Zeitgeschichte, fast gar nicht. Die realtive Person darf in bestimmten Kontext abgelichtet werden. Und dann gibt es da die hilflose Person, die betrunken oder bekifft gar nichts mehr mitkriegt. Aufgepasst: Auch die ist durch Bildrechte geschützt und darf nicht einfach für gerade populäre Themen wie das unsichere und unattraktive Lüneburg vor den Populismus-Karren gespannt werden. PS: Das Foto zum Blog ist KI generiert, Personen und Ort sind nicht real.

Jüngst sah ich aber so eine Story aus Lüneburg mit dem Text: „Schlimm, dass zugedröhnte Personen inzwischen mitten auf der Straße in Lüneburg liegen. Was ist mit Lüneburg los?“ Das sitzt. 

Auf dem Story-Foto liegt zwar nur einer halb nackt auf dem Boulevard, aber Generalisten spitzen gerne zu, also ist von „Personen“ die Rede, klingt gleich dramatischer. Dass der kommunale Ordnungsdienst Minuten später eingreift, lasssen wir mal weg. Schließlich geht es um German Trumpismus oder fischen am blauen Rand. 

Ich  bin mir sicher, der umtriebige Lüneburger Social-Media-Star, Fotograf und Christdemokrat, den ich sehr schätze, hat erstmal die hilflose Person gefragt, ob er einen Krankenwagen rufen soll und ob er fotografieren darf. Oder doch nicht?

 Auch andere beklagen gerade wieder das ankratzte Lebens- und Sicherheitsgefühlt in der Innenstadt, die sowieso fast ausgestorben ist. Gut, ich sehe da immer viele Passanten und Touristen, aber das sind vermutlich nur Fata Morganen. 

Zur Sicherheitslage kommt der Leerstand, ein Lüneburger Urproblem. Gut, das gibt es zwischen Flensburg und Fürstenfeldbruck, aber in Lüneburg ist es für manche Politiker gefühlt ganz schlimm. 

Das Lüneburger City Management beklagt rein rechnerisch bei 50 Leerständen fünfzig Mitglieder weniger. Das schlägt natürlich auf die Kasse und das Machbare durch, Lüneburg wieder auf Spur zu bringen. Was mir nicht bekannt war, dass es sozusagen eine Pflichtmitgliedschaft im LCM gibt wie bei der Handelskammer. Aber gut, da bin ich vielleicht ein Beckmesser.  

Bei dieser instabilen wie traurigen City-Bilanz hilft nur ein SOS-Anruf bei Donald und der Einmarsch der Nationalgarde, die der Oma über die Straße hilft, ohne dass ihr gleich wieder das Portemonnaie geklaut wird. 

Ach so, das Foto und die Bildrechte: Nur, weil sie im öffentlichen Raum liegt, hier eine Fußgängerzone, ist eine hilfslose Person keine relative Person der Zeitgeschichte. Vielmehr ist das Fotografieren einer hilflosen Person nach Paragraph 201a des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) strafbar und verletzt deren höchstpersönliche Lebensbereiche und Persönlichkeitsrechte, was mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Straßenbilder sind nicht grundsätzlich verboten, nur bei den zentralen Bildinhalten bedarf es Zustimmung.

Wenn Hilflosigkeit zur Schau gestellt wird, geht das für mich zu weit. Als hilflos gilt per Gesetz auch, wer unter Einfluss von Alkohol bzw. Drogen steht. Und zu identifizieren sind die Personen nicht nur am Gesicht, sondern für ihr Umfeld auch an der Kleidung, am Fahrrad oder Rucksack, die da rumliegen. Das ist wie mit dem schwarzen Balken im Gesicht. Der beruhigt eigentlich nur das Gewissen des Journalisten, hilft im Ernstfall aber wenig. Ja, und dann schaut auch noch einer zu…..

Der Fotograf weiß natürlich, das Hilflose keine Lobby haben. Und die Story war ja auch nach 24 Stunden aus den Augen, bleibt aber im Sinn wie der schlechte Beigeschmack. Ich finde, ein kleiner Ablass an die Drobs wäre schön. 

Hans-Herbert Jenckel

Foto: Das Foto ist KI generiert, in diesem Fall mit google Gemini, die Personen und der Ort sind irreal.

Avatar von Unbekannt

About jj

Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Responses to In Lüneburg hilft nur noch die Nationalgarde

  1. Only bad news is good news„, ist auch unter Lüneburger „Medienschaffenden“ und pressepolitisch agilen Gestaltern der „wahren Meinung des Volkes“ ein selten außer Acht gelassenes „Kommunikationsprinzip“. Die Essayistin Susan Sontag meinte:

    Jedes Foto wartet auf eine Bildlegende, die es erklärt – oder fälscht.

    Fotos haben die Fähigkeit, die abscheulichsten Realitäten nicht nur aufzuzeichnen, sondern sie regelrecht zu definieren. Fotografien (…) sind eine Art von Rhetorik. Sie insistieren. Sie vereinfachen. Sie agitieren. Sie erzeugen die Illusion eines Konsensus. (…)

    Das Bild schockiert – und darum geht es. Nachdem die Bilder ins Arsenal des Journalismus aufgenommen waren, sollten sie fesseln, bestürzen, überraschen. Getreu dem alten Slogan der 1949 gegründeten Illustrierten Paris Match. »Le poids des mots, le choc des photos« (Das Gewicht der Worte, der Schock der Fotos). Die Jagd nach möglichst »dramatischen« Bildern (wie sie oft genannt werden) treibt das fotografische Gewerbe an, und gehört zur Normalität einer Kultur, in der der Schock selbst zu einem maßgeblichen Konsumanreiz und einer bedeutenden ökonomischen Ressource geworden ist. (…) Das Bild als Schock und das Bild als Klischee sind zwei Seiten desselben Phänomens.

    Aus: Das Leiden anderer betrachten (2003)

    Like

  2. Avatar von A. Janowitz A. Janowitz sagt:

    Auch für gut genug befunden:

    https://www.republik.ch/2025/09/18/giuliano-da-empoli-politische-raubtiere-versetzen-uns-in-schockstarre

    Denn der schwarze Balken soll auch nur den Tabubruch kaschieren, den das Begaffen in verwundbarster Situation darstellt. Des Wahnsinns fette Beute, das sollen wir sein (und dabei sekundieren).

    Immerhin türmen sich die Bücher^^

    Like

    • Avatar von Otto Berg Otto Berg sagt:

      Ausgezeichneter Lektüretipp, Herr Janowitz!

      Das Online-Magazin Republik ist das beste, was die Schweiz, seitdem die NZZ immer häufiger und immer lauter auf dem rechten Standstreifen hupt, an vorausschauend argumentierender politischer Publizistik zu bieten hat.

      Meine Empfehlung: Eine orientierende, gehaltvolle, also aufklärende, trotz ihres stark überpointierten Titels von ideologischen Voreingenommenheiten gerade befreiende und darüber hinaus gut lesbare Ergänzung zum Blog.jj-Schwerpunkt dieser Woche ist ein Reclam-Heftchen:

      Sein Autor Rainer Mühlhoff (* 1982 in Remscheid) ist ein deutscher Philosoph und Mathematiker. Er ist Professor für Ethik der Künstlichen Intelligenz an der Universität Osnabrück. 

      • Hier geht es zu seiner Homepage.
      • Hier zu zweien seiner Aufsätze zum Thema im Verfassungsblog.
      • Und hier zu einer Leseprobe seines grandiosen, in diesem Sommer bei Reclam erschienenen Büchleins.

      Like

  3. Avatar von A. Janowitz A. Janowitz sagt:

    Guten Morgen,

    über das schwinden der persönlichen Freiheiten brachen wir uns schon lange nicht mehr zu echauffieren? Ich hatte vor Jahren schon diese recht eindeutige Darstellung verbreitet:

    Und es kam nur noch schlimmer? In den USA wird die Gesellschaft Modi-fiziert um nach Vorbild der „grösten Demokratie“ ein Hass- und Hetze System zu etablieren. Wir nannten solche früher Blockwarte. Heute können die, mithilfe von mit Stochastiken verbesserten Suchmaschinen euphemistisch gerne „KI“, fast schon als Precogs auftreten, um meist begründeten Unmut zielgenau gegen irgend eine andere möglichst ebenso hilflose Gruppe zu wenden. Man kann schon nicht mehr von „Teile und Herrsche“ sprechen. Es müsste schon „zersplittere und lasse zusammenfegen“ heissen.

    Eine Lobby haben schon längst nurnoch die Reichen (und somit mächtigen), also diejenigen die nichtmehr mit Booten, Autos und Residenzen angeben müssen wie „reich“ sie sind. Es sind solche, die auf suprenationaler Ebene Einfluss kaufen und sich im Dickicht internationaler Steuergesetzgebung immer noch eine Null-Steuer Lösung offenhalten können. Wobei (natürlich) der Unterschied zu kriminellen Organisationen aufgehoben wird, denn die zahlen auch keine Steuern. Wenn Mafia und Erbreiche sich schlussendlich die Hand reichen ist es ein „gravierendes Problem“ für uns alle…

    Da stimmt es mich auch nicht gewogen, das gerade ein Mafiaregime in die frühe Neuzeit zurrück gebombt wird. Es wird der Aufstand der Idioten, geführt von ebenjenen Lobbygruppen, in keinster Weise gefährdet. Nirgendwo.

    Die nicht mit Scheisse gefluteten Refugien schwinden und es bleibt der verblödete „Diskurs“ darüber, welche Sau demnächst durch`s Neuland getrieben werden soll. Die faulen Ausländer im Rest von „Sozial“system oder doch besser die Sängerin, die mit ihren Verwandten nichts anfangen kann? Da hilft auch kein >redacted<.

    Like

Kommentar verfassen