Lüneburg, 26. Juni 2023

Carl-Peter von Mansberg war lange der Architekt, der das neue Lüneburg prägte, ob am Graalwall, an der Feldstraße oder auf dem Leuphana-Campus mit Hörsälen und Bibliothek – bis Libeskind kam. Und ich schätze ihn, weil er als Architekt Akzente setzte und irgendwie auch Bau-Philosoph ist. Das vorweggeschickt.
Jetzt hat er einen Leserbrief geschrieben, da steht unter anderem: „Welch ein diffuses, beziehungsloses, ästhetisches Nichts zeichnet sich als Ergebnis der Neugestaltung des Glockenhofes ab. Eine ‚Klinkerversammlung‘ im Konflikt mit Gebräuchlichkeit und Identität. Eine Bronzemedaille für vorbildliche Stadtgestalt und Denkmalschutz im Städtebau, wie 1978 verliehen, wird denn wohl diesmal weit verfehlt. Schade!
Ja, ein Meisterstück der Architektur ist der Glockenhof nicht geworden, nur die Eröffnung des an dem Tag erst halbfertigen Platzes, das war eine Meisterleistung. Das war so wie „des Kaisers neue Kleider“. Und alle spielten mit, Baken hin, Stahlabdeckungen her, fehlendes Grün, egal. Musik!
Der neue Glockenhof ist immer noch nicht fertig, das i-Tüpfelchen fehlt, das Wasserspiel. Er scheint das Werk aus der Hand eines Praktikers denn eines Philosophen, Regie führten eher die nötige Feuerwehrzufahrt und andere ordnungspolitische Belange.
Aber wenn Carl-Peter von Mansberg hier seinen Maßstab anlegt, dann sage ich: Wer im Glashaus sitzt, der werfe nicht mit Steinen.

Mansberg hat unter anderem auch den Pavillon auf dem Schrangenplatz entworfen. Und selbst wenn es eine Auftragsarbeit war, so hätte er aufschreien müssen. Weil genau dieser Pavillon so platziert ist, dass er dem Platz den Platz-Charakter nimmt. Egal, aus welcher Richtigung man schaut, immer verdirbt dieses Monstrum, einst Fritten-Palais, heute Eis-Palast, den Blick. Was wäre der Platz für ein Platz ohne Pavillon?
Dabei hatte der Architekt schon 1989 beim achtzackigen Schnellimbiss an Vierorten eingeräumt: „Ich glaube, da wäre weniger mehr gewesen.“ Genau, das trifft auch auf den Schrangenplatz zu.
Auf Plätze versteht sich Lüneburg nicht so recht. Dabei ist es der Ort schlechthin, an dem sich eine Stadtgesellschaft trifft. Leider patzt Lüneburg: Der Platz Am Sande ist meistens ein Busbahnhof. Am Marktplatz, dem historischen Machtzentrum, steht jetzt ein Holzverschlag, der grüne Oase sein soll und doch mehr von mangelhafter Lüneburg-Kenntnis zeugt.
Im Hanse-Vierte, der ehemaligen Schlieffen-Kaserne, gibt es einen Platz, von dem Städteplaner und Architekt Prof. Dr. Georg Klaus schon vor längerem im Blog-Podcast sagte, dass der nie Platz werden kann, weil er nicht von Gebäuden umgeben, eher eine Pläne ist. Dort hätte im Karree der Panzerhallen ein Platz entstehen können. Die Hallen wurden abgerissen.
Am Alten Kran stehen zum Glück Stühle, dahinter aber wäre ein schattiger Platz, aber das ist ein verwaister, eingezäunter Bretterverschlag. Der Lambertiplatz ist meistens eine Hundewiese oder zuletzt Ausweich-Schulplatz. Und der Marienplatz? Der ist ein Parkplatz oder besser ein Zankapfel der Verkehrspolitik.
Lüneburg, es gibt noch viel zu tun für Plätze mit Charakter.
Hans-Herbert Jenckel
Was ich nicht verstehen kann wie zaghaft und ewig rückblickend, um nichtzu sagen rückständig das Provinzörtchen doch ist. Im Museumsteil kann man zwar pitoreske touristenmagneten Gässchen um die Michaeliskirche finden, aber ist das die Zukunft? Mittelalterlich?
Ich musste mir neulich erst die Schuhkartonarkaden an der Wittenberger Bahn zu gemüte führen und will ehrlich gesagt das Gelände der Schlieffenkaserne nicht nocheinmal sehen müssen. Da ist Augenkrebs garantiert. Wie bieder und langweilig kann man Chancen vertun? Es gilt nichtmal das Rad neu zu erfinden?! Da hat man die Chance einen Stadteil neu zu bauen und dann diese Gartenzwergsiedlung.
Es ist doch alles schon gedacht, man müsste es nur wagen das alte mit dem neuen zu vermählen:
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Leider vermisse ich in diesen Platz-Kritiken die Merkmale für eine gelungene Platzgestaltung, an denen es den genannten Beispielen fehlt. Eine „Klinkerversammlung“ im Glockenhof zu bemängeln ist wohlfeil, dieses Material ist der Stadt nun mal eigen, und ob alternativ Betonpflaster oder Waschbetonplatten Zustimmung gefunden hätten, bezweifle ich sehr. Es geht doch vornehmlich um Aufenthaltsqualitäten, und da sehe ich die Leute auf den Klinkermauern sitzen. Die im Entwurf von Schönherr Landschaftsarchitekten vorgeschlagenen Bänke fehlen noch. Die Luna-Säule hätte besser mit etwas Abstand zur Bühnenplattform aufgestellt werden können, damit sie die Sicht auf mögliche Präsentationen nicht versperrt und von den auf der Klinkerversammlung Sitzenden besser betrachtet werden kann. Und vielleicht kann man ja noch eine kleine Rampe zu dieser Bühnenplattform ergänzen. Insgesamt eine gute Modernisierung!
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Ich stimme zu!
Viele digitalelektronisch ausgestattete Lüneburgernde im Stadium weiter fortgeschrittener Jugendlichkeit scheinen nur noch eine Freude zu kennen: das gegenseitige schulterklopfende Maulen hinter den isolierzellenengen Tellerrändern, die ihnen an der Nase festgewachsen sind.
Mich nervt eigentlich ganz wenig. Das ist auch mein Vorsatz: Nicht zu oft genervt sein! Vorm Einschlafen lese ich gerade „Die innere Burg“ von Teresa von Avila, Mystik, 16. Jahrhundert, sensationelle Psychologie. Teresa von Avila war auch nicht genervt, obwohl sie einen harten Tinnitus hatte. Was mir aber schon ziemlich auf den Zeiger geht, ist das hechelnde Herumgemotze, wenn ich in Lüneburg, in Lübtheen oder Ludwigslust Bus fahre und so eine Rentnergruppe schamfudern höre. Vom Heizungsgesetz wollen wir gar nicht reden, denn natürlich muss jeder das Recht haben, weiterhin alte Autoreifen zu verfeuern, aber jetzt ist aktuell das Rentenniveau im Osten dem Westen angeglichen worden, und auch das war wieder falsch. Warum, habe ich nicht genau verstanden, nur gedacht: Jetzt schließt dieser Bus einfach für ein paar Stunden die Türen, fährt nach Kiew durch, da steigt ihr alle aus, und dann halten wir vielleicht endlich mal den Mund.
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Bei öffentlichen Bauten ist an erster Stelle Barrierefreiheit gefordert. Nur wenn diese gelungen ist, kann man über die optische Gestaltung nachdenken. Davon kann im Glockenhof leider nicht die Rede sein. Wer es nicht glauben will, frage bitte bei einer auf einen Rollstuhl angewiesenen Person nach.
Die Hafenmauer soll ein Gitter bekommen, aber im neu gestalteten Glockenhof haben Seh- und Gehbehinderte offensichtliche Unfallgefahren hinzunehmen…
… Und schwarze Klinker haben mit frühneuzeitlicher oder gar mittelalterlicher Architektur, mit der Lüneburg wirbt, absolut nichts zu tun. Beim Schütting ist die dunkle Farbe ein Anstrich…
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der einäugige ist bekanntlich unter den blinden könig. aber wer ist in der kommunalpolitik in stadt und landkreis bei uns der einäugige? schmunzeln
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Dazu die Überlegung eines weltberühmten Lüneburgers, Niklas Luhmann, der aber noch, anders als Immanuel Kant, der Königsberger, im heimischen „Stadtmarketing“ kaum eine Rolle spielt:
Damit Kommunikation (und somit auch politische Kommunikation) gelingt, müssen die Beteiligten nicht nur jeweils eigene Erwartungen haben, sondern auch Erwartungserwartungen bilden, also Annahmen darüber besitzen, welche Erwartungen vonseiten Dritter zu erwarten sind. Erst auf diese Weise kann die Handlung des oder der einen an die Handlung des oder der anderen anschließen, so dass die resultierende Situation stabil ist.
Erwartungserwartungen können als Höflichkeit oder als Teil einer sozialen Rolle verallgemeinert werden (Bsp. I). Sie sind allerdings nicht bindend, eine Erwartung kann enttäuscht werden (Bsp. II). Wird aber (aufgrund von Willkür oder Böswilligkeit) diese Enttäuschung erwartet (und dann zur Regel), dann bröckelt der demokratische Konsens bzw. das Gleichgewicht von Anstand und Gutwilligkeit derjenigen, die sich als Gleiche gegenseitig ernst nehmen (Bsp. III).
Beispiel I:
Der Einäugige (E) und der Blinde (B) begegnen sich im Treppenhaus und grüßen einander. B erwartet, dass E ihn grüßt, und E erwartet, dass B den Gruß erwidert. Aber B muss auch erwarten, dass E erwartet, zurückgegrüßt zu werden, so wie E erwarten muss, dass B erwartet, zuerst gegrüßt zu werden. Ohne begründete Vermutungen über die Erwartungserwartungen des jeweils anderen bleiben die Erwartungen von E und B unerfüllt.
Beispiel II:
https://pbs.twimg.com/media/F0gPUJrX0AAlEt0?format=jpg&name=4096×4096
Beispiel III:
https://www.landeszeitung.de/politik/sonnberg-afd-landrat-robert-sesselmann-sorgt-mit-schulhof-rede-fuer-kritik-U7PNUJXPDBHJ5O5YDHO7NNL56Q.html
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Anderes Thema, gleiche Baustelle:
Mancherorts wird vor dem Kulturkampf noch gewarnt, anderswo ist er schon längst losgebrochen: In Zwickau hatte der Stadtrat vergangene Woche einem AfD-Antrag folgend mehrheitlich beschlossen, dass Stadtverwaltung und Eigenbetriebe in internen und externen Schriftsätzen keine konstruktiven Formen wie Genderstern, Unterstrich oder Doppelpunkt für geschlechtersensible Bezeichnungen verwenden dürfen. Zudem wurde Oberbürgermeisterin Constance Arndt beauftragt, Ähnliches auch in den Beteiligungen der Kommune zu bewirken. (Vgl.: Sitzung Stadtrat vom 29. Juli 2023, TOP Ö 4.1: https://ratsinfo.zwickau.de/bi/to0050.php?__ktonr=32357)
Da die Stadt beim Theater als Gesellschafter fungiert, müsste die neue Verordnung auch hier gelten. Dagegen wehrt sich jetzt das Theater Plauen-Zwickau mit Händen und Füßen. In einer Mitteilung heißt es, das Theater werde seine bisherige Linie etwa in Flyern und dem Spielzeitheft beibehalten. Dazu beruft sich die Theaterleitung auf die Kunstfreiheit und führt weiter aus: „Die Debatte berührt das Sprachgefühl der einen ebenso wie das Gerechtigkeitsempfinden der anderen, Fragen des Miteinanders von Mehr- und Minderheiten ebenso wie die Bereitschaft der Verweigerung, sich vollziehende Veränderungen zu akzeptieren.“ (Vgl.: https://www.theater-plauen-zwickau.de/news.php?index=0&id=1253)
Wobei sich natürlich die Frage anschließt, wer die Richtigkeit einer Veränderung festlegt – das kunstfreie Theater? Oder die wählende Stadtgesellschaft (bzw. deren Vertreter in den Organen kommunaler Selbstverwaltung)?
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Ich finde, Andrea Schröder-Ehlers, Jörg Kohlstedt und Eckard Pols, die allesamt überhaupt keine Gelegenheit hatten, die – vor dem Loslegen der Grünen Plätzeverhunzungskamarilla – im Rathaus ausgelegten Glockenhof-Umbaupläne zu studieren, sollten einen nächtlichen Fackelzug zur sogenannten Luna-Säule organisieren und Handzettel mit 777 SPD-Anfragen verteilen, auf denen an alleroberster Stelle gefordert wird, dass künftig wieder (wie in guten alten Zeiten) mindestens ein LZ-Chefreporter auf dem Schoß der Oberbürgermeisterin und auf dem des Sozialdezernenten dauerhaft Platz beanspruchen darf, um von dort (quasi aus seinem, dem ersten Einflüsterungsohr heraus) das politische Geschehen (und die entsprechende Berichterstattung) „authentisch“, also im Sinne der Lüneburger Honoratioren-Clique zu „kommunizieren“, die so lange „der Stadt Bestes“ gewollt und nun Schwierigkeiten mit der würdevollen Selbstoptimierung im Greisenalter hat.
Anschließend wird eine halbe Stunde lang (begleitet vom tausendfachen Getrommel inhaltsleer kollektierter Pet-Flaschen) skandiert „Kalisch muss weg!“ und „Wir sind das Volk!“
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Der Eispavilion auf dem Schrangenplatz ist eine Bereicherung für den Platz. Gut, dass er da ist und Da Mario auch 🙂
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Ich sitze dort auch gerne, und Da Mario hat den Pavillon nicht zentral auf dem Platz gebaut. Die Eis-Mannschaft ist gänzlich unschuldig. Der Platz-Charakter ist trotzdem angekratzt. lg jj
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zu dem bild, reppenstedt lässt grüßen. es war schon immer etwas teurer einen besonderen geschmack zu haben. steine sind teuer. schmunzeln.
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Die Neugestaltung des Glockenhofes ist nicht nur ästhetisch misslungen. Aus meiner Sicht ist die fehlende Barrierefreiheit viel gravierenderer Mangel. Wer mit einem Rollstuhl problemlos durch dieses Klinkerlabyrinth kommt, kann sich bei den Paralympics anmelden. Praktiker hätten das anders gelöst.
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Für den Glockenhof wäre eine silberne Zitrone passend, wenn es sie denn auch für Architektur gäbe. Ganz abgesehen von der hier zu Recht kritisierten Optik gibt es einen aus meiner Sicht gravierenderen Fehler: Der Platz ist nicht barrierefrei. Aus der Hand eines Praktikers wäre das also ganz anders geworden. Wer durch dieses Klinkerlabyrinth mit einem Rollstuhl ohne Probleme kommt, kann sich bei den Paralympics anmelden.
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