Es bricht die große Zeit der Schießbude an

Lüneburg 30. November 2023

Kaum stehen die ersten Tannenbäume im Lüneburger Lande, beginnt auch die große Zeit der Schießbuden. Nicht was Sie denken. Keine Buden auf dem Jahrmarkt. Schießbuden werden unter Journalisten die Fotos genannt, auf denen sich mehr oder weniger viele Menschen wie zum Appell aufreihen. Wahlweise halten sie Flyer in der Hand, Bücher oder manchmal einfach auch gar nichts. Oder sie nehmen vor einem Wandgemälde oder wie auf einer Hühnerleiter hinter einer Baggerschaufel oder vor einer Lüneburg-Flagge Haltung an. Das nennt man in unseren Kreisen flapsig eine Schießbude. 

Die Zeit der Schießbuden, auch als Gruppenfoto bekannt, reicht weit über die Weihnachtszeit hinaus bis ins neue Jahr. Denn ihre Hochzeit erlebt Sie, wenn Feuerwehrleute oder Sportskanonen auf Jahresversammlungen geehrt werden, Parteien neue Vorstände wählen. 

Natürlich ist die Schießbude eine Qual für jeden, der nicht auf dem Foto ist. Doch jeder Bürger, jede Bürgerin sollte einmal in der Zeitung mit Foto und richtigem Namen stehen bevor die Todesanzeige erscheint. Das war immer die eiserne Devise des legendären LZ-Chefredakteurs Helmuth Pless.

Andere Zeit. Heute muss das, um viele zu erreichen, auf die Sozialen Medien ausgedehnt werden. Und bei der Prämisse kommt man mit Schießbuden schneller ans Ziel. Zudem ist es auch immer eine Frage der Eitelkreit und Wichtigkeit oder eben Unwichtigkeit, ob man auf einer Schießbude abgelichtet wird oder beiseite treten muss, was oft als persönliche Verletzung aufgenommen wird. 

Es gab bei der LZ einen Fotografen, der eine bestimmte Persönlichkeit der Politik partout nicht fotografierte. Und das war zu einer Zeit, als Fotos noch schwarz-weiß abgebildet wurden und ein ganz anderes Gewicht hatten, weil sie gedruckt seltener waren als heute.

Generation von Lüneburger Jounalisten haben darüber nachgedacht, wie man das Fotomotiv der Schießbude ändern könnte, irgendwie jünger, frischer. Also müssen beim Spatenstich für was auch immer alle einen Spaten in die Hand nehmen und Richtung Fotograf Sand werfen, oder sie halten alle gemeinsam einen überdimensionalen Scheck in den Händen oder wahlweise bei Einweihungen einen Riesenschlüssel – beides bis heute ein Renner.

Nicht zu vergessen ist das Architektenmodell von irgendwas, das alle hochhalten oder wie paralysiert darauf starren. Ich erinnere mich noch genau an einen Stadtdirektor, der es mit der Bilderzahl in der Zeitung sehr genau nahm. Als ich ihn einmal, weil er für mich günstig am Rand stand, rausgeschnitten hatte, kam er ziemlich vernschnupft (das war er immer nur ganz kurz) in die Redaktion und erklärte mir den Sachverhalt, in dem er auf das Bild deutete, wo, von mir nicht erkannt, sein Hand noch immer anwensend war und auf irgendwas deutete. Ein Profi der Schießbude. Merke: Wenn man nicht rausfallen will, am besten bei Schießbuden immer in der Mitte stehen. 

Was wurde nicht alles versucht, Schützenkönige auf Schultern tragen, Sportskanonen in die Luft werfen – alles eingeschlafen. 

Und schauen wir über den Tellerrand, bei irgendwelchen Gipfeltreffen, ob in Dubai oder sonstwo. Da müssen Dutzende Regierungschefs, auf Treppen stehend, in die Kamera lachen. Einer macht immer die Augen zu oder Faxen. Eigentlich erkennt man sie nur mit Lupe, weil sie in der Masse doch Ameisen-klein untergehen.

Was tun? Gar nichts. Geblieben ist das Gruppenbild, mal von sozialistischer Strenge getragen, mal grinsend und überaus fröhlich, selten natürlich, denn alle Natürlichkeit weicht aus unseren Gesichtszügen und unserer Haltung, wenn erstmal eine Kamera auf uns gerichtet wird.

Hans-Herbert Jenckel 

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Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
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4 Responses to Es bricht die große Zeit der Schießbude an

  1. Avatar von Gertrud Hölscher Gertrud Hölscher sagt:

    Lieber Herr Jenckel,

    dass sich Journalisten einer derart rohen Bildsprache bedienen, hat einerseits etwas Bedrückendes, ist andererseits aber auch verständlich, denn irgendwie müssen sich anscheinend die Ausübenden in jedem Beruf das wiederum sie Bedrückende von der Pelle halten. Der Weidmann spricht vom „aus der Decke schlagen“, während der Geldmensch manchem „das Fell über die Ohren zieht“. Welche Wendungen unter Metzgern, welche unter Chirurgen für ähnlich gelagerte Praktiken gang und gäbe sind, möchten viele ihrer „Kunden“ sicherlich gar nicht zu genau wissen.

    Schießbuden haben ja wohl viel mit Schießbudenfiguren zu tun. Wie die sich präsentieren, kann jeder leicht einsehen. Aufgereiht auf dem Stand eines Jahrmarktes (einer Schießbude) sind das als Ziel dienende Darstellungen einer meist lustig aussehenden Person, beispielsweise eines Clowns, eines Schornsteinfegers oder Seeräubers – häufig aus Pappe, Kunststoff oder Blech, die mit Hilfe eines Gewehres getroffen nach hinten kippt und einen Gewinn ermöglicht.

    Eine kleine Auswahl, an welcher das Vorhandensein der von Ihnen festgestellten Eigenarten abgelesen werden kann, ist selbst für den Ungeübten schnell gefunden. Und richtig: Von kamerahaltenden Beobachtern beobachtete Beobachter wirken sehr ungelenk im Vergleich zu den trainierten Poseuren, die gewöhnlich die von jenen zurechtgestellten Kulissen bevölkern. Man möchte sagen – wenn das Wortspiel erlaubt ist: Ein wenig stehen sie, die taxierten Taxierer, da wie Figuren, die ahnen, bald auf immer und ewig wie bildtechnisch petrifizierte Schießbudenfiguren dazustehen.

    Zwei schnappschüssige Buden-Paare vom salzstädtischen Jahrmarkt der Eitelkeiten, die der Illustration Ihrer Thesen dienen und zum bildkritischen Weiterstudieren einladen:

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    Anders als von Carlo Eggeling am 21. November 2023 bei „lueneburgaktuell.de“ behauptet (und drei Tage später nach Hinweis gestrichen), konnten Jimmy und Rosalynn Carter, am Abend des 4. Oktober 2007, an dessen Ende sie in Lüneburg übernachteten, den ungezählten hanseatischen Honoratioren ihre ihnen weltgeschichtssensibel hingestreckten Hände natürlich noch nicht im Libeskind-Audimax schütteln. Es wurde erst zehn Jahre nach der Abreise der beiden (noch dazu, um Finanzförderanforderungen zu genügen, im quasi halbfertigen Zustand) „eingeweiht“. (Zehntausend „Schießbuden“ zeugen von tausend Zwischenschritten.) Doch zweien der eifrigsten Bau-Enthusiasten immerhin waren die amerikanischen Freunde im Fürstensaal des Lüneburger Rathauses schon begegnet.


    (Foto: Hans-Joachim Boldt / LZ)

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    (Foto: Bund der Steuerzahler)

    Den dritten Preis seiner Auszeichnung „Die spitze Feder 2019“ hat der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen am Dienstag, den 14. Mai 2019 an die Journalisten Anna Paarmann und Hans-Herbert Jenckel von der Landeszeitung Lüneburger Heide verliehen. Beide wurden ausgezeichnet für ihre mutigen und kritischen Berichte über die skandalträchtige Planungs-, Vergabe-, Finanzierungs- und Kommunikationshistorie des sogenannten Libeskind-Baus für die Leuphana-Universität Lüneburg.

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    Nach einem am 17. Dezember 2018 – auf nachdrückliche Empfehlung des damaligen Landrates – durch den Lüneburger Kreistag gefassten Baubeschluss, der, wie jener Landrat vier Monate später (im März 2019) zugeben musste, auf Teils unvollständigen, Teils unzutreffenden, jedenfalls nicht auf seinem damaligen Kenntnisstand und somit – durch ihn – auf der Wahrheit nicht entsprechender Information des Exekutivorgans beruhte, erfolgte am 31. Dezember 2018 die Unterzeichnung eines „Betreibervertrages“ der, wie sich ein Jahr darauf herausstellte, von geradezu grotesker Unzulänglichkeit gewesen ist und dem Kommunalverband inzwischen einen Vermögensschaden in Millionenhöhe eingetragen hat.


    (Foto: Landkreis Lüneburg)
    „LGheute“ formulierte die Bildunterschrift am 3.Januar 2019 so: „Endlich unterschrieben: Landrat Manfred Nahrstedt (links) und Klaus Hoppe (Mitte) halten den Betreibervertrag in Händen, an ihrer Seite Oberbürgermeister Ulrich Mädge.“

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    (Foto: Bund der Steuerzahler)

    Den ersten Preis seiner Auszeichnung „Die spitze Feder 2021“ hat der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen am Donnerstag, den 16. September 2021 an die Journalisten Marc Rath, Malte Lühr und Dennis Thomas von der Landeszeitung für die Lüneburger Heide (LZ) vergeben. Gewürdigt wurden damit ihre gründlichen und aufklärenden Berichte über das kommunale Missmanagement aufseiten des Landkreises Lüneburg bei der Planung und dem Bau der „Landeskrankenhilfe-Arena“. Die LZ-Redakteure hätten das mehrjährige konzeptionelle und organisatorische Chaos sowie die Vergabepannen und die immensen schubweisen Kostenexplosionen in journalistisch vorbildlicher Weise aufgedeckt und öffentlich gemacht, hieß es in der Begründung.

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  2. Avatar von sanderthomasgmxde sanderthomasgmxde sagt:

    der Leser fragt neugierig wer der Fotograf und welche Persönlichkeit der Politik es waren? PN reicht ggfls.

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    • Avatar von jj jj sagt:

      Da sollte niemand noch mal ins Rampenlicht gerückt werden. Es geht nur um die Gegenstände zur Schießbude Lg

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    • Avatar von Diedrich Ziegener Diedrich Ziegener sagt:

      Ist eine Frau auf dem Bild, ist das ohne Ausnahme immer Andrea Schröder-Ehlers, an messingfarbene Cordhosen trauen sich nur Eberhard Manzke und Uwe Dorendorf heran und helle, großkarierte Sakkos im Peter Frankenfeld-Style über dunklen, viel zu langen Hosen trugen eigentlich nur Karstadts Schaufensterdekorateure, Horst Frahm, Chef der ‚Taverne Royal‘, Auf der Altstadt 8 (heute ‚Anno 1900‘), und Peter Frankenfeld.

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