
Seit vielen Monaten kämpft das Lüneburger Theater um sein Orchester, allen voran die Musiker selber: mit öffentlichen Konzerten, Protestaktionen vor Sitzungen von Kreistag und Stadtrat, den Gesellschaftern des Theaters, dem viel Geld in der Kasse fehlt. Unter der Überschrift: Für eine Zukunft als Dreispartenhaus: Aufsichtsrat empfiehlt Gesellschaftern Verkleinerung des Orchesters am Theater Lüneburg verschickte der Landkreis jetzt eine Pressemitteilung, in der dann allerdings nicht von Verkleinerung die Rede ist, sondern im Marketingsprech von „Optimierung“.
Um die Finanznot des Kulturtempels zu lindern, war ein Gutachten zum Schluss gekommen: Wenn, dann müsse man Hand ans Orchester legen. Der Protest war groß wie die Solidaritätsbekundungen der Lokalpolitiker. Jetzt aber hat der Aufsichtsrat genau das empfohlen. Folgende Mitteilung verschickte jetzt der Landkreis, der Hauptgesellschafter des Theaters.
„Obwohl das Theater einen überdurchschnittlich hohen Anteil seines Etats selber einspielt, ist es auf Zuschüsse seiner Gesellschafter – dem Landkreis Lüneburg und der Hansestadt Lüneburg – sowie des Landes angewiesen. Vor diesem Hintergrund und angesichts sich wandelnder Präferenzen des Publikums haben die Gesellschafter die Geschäftsführung des Theaters beauftragt, das Haus neu auszurichten. „Unser gemeinsames Ziel ist es, das Theater für die Menschen in der Region als Dreispartenhaus zu erhalten. Dafür braucht es einen zusätzlichen Fokus auf neue, junge Zielgruppen, gleichzeitig bedarf es auch struktureller Veränderungen. Gradmesser hierfür werden zukünftig auch die Zuschauerzahlen sein“, sagt Lüneburgs Landrat und Theater-Aufsichtsratsmitglied Jens Böther.
Sinkende Besucherzahlen verzeichneten zuletzt vor allem die Bereiche Oper und klassische Konzerte. Eine Neuausrichtung, über die nun die zuständigen Fachausschüsse von Landkreis und Hansestadt zu befinden haben, sieht daher vor, die Zusammensetzung des Orchesters zu optimieren. Dies soll gemäß Vorlage sozialverträglich, das bedeutet ohne betriebsbedingte Kündigungen, geschehen.
„Landkreis und Hansestadt Lüneburg als Gesellschafter haben der Geschäftsführung eine Richtung vorgegeben“, betont Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. „Uns ist bewusst, dass es Zeit braucht, bis dieser neue Weg zu spürbaren bilanziellen Verbesserungen führt. Wir haben der Geschäftsführung daher zugesichert, auch die nächsten drei Spielzeiten bis einschließlich 2027/2028 finanziell abzusichern.“ Auch das im Aufsichtsrat vertretene Land Niedersachsen hat der Neuausrichtung des Theaters in der jüngsten Aufsichtsratssitzung zugestimmt.
Bereits seit rund einem Jahr verfolgt das Theater Lüneburg das neue Konzept, das unter anderem darauf abzielt, neue Publikumsgruppen zu gewinnen. „Unter dem Motto ‚Die Zukunft ist immer anders.‘ haben wir in der laufenden Spielzeit mit dem Transformationsprozess begonnen“, so Intendant Friedrich von Mansberg. „Eine erste Bilanz zeigt: Wir haben mehr Zuschauer und konnten die Einnahmen deutlich steigern. Überdies ist es uns gelungen, mehr als 700.000 Euro an Drittmitteln für den Neustart einzuwerben. Zudem konnten wir neue Publikumsgruppen ansprechen, Hürden abbauen, Kooperationen ausbauen und mit der ‚Akademie Junges Musiktheater‘ ein Alleinstellungsmerkmal für das Theater entwickeln.“
In der kommenden Woche steht das Thema u.a. auf der Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung der beiden Kultur-Ausschüsse von Landkreis Lüneburg und Hansestadt (11. Juni 2025). Abschließend geht es in die beschließenden Gremien von Stadt und Landkreis.
Foto jj: Die Musiker des Lüneburger Theaters musizieren für den Erhalt des Orchester auf dem Marktplatz. (Foto: jj)
Der Rauswurf von Demis Volpi beim Hamburg Ballett zeigt: Compagnien, Ensembles und Orchester vorwiegend auf Denkmalpflege zu verpflichten, kann nur scheitern – selbst, wenn es um so ein großes künstlerisches Erbe geht wie das von John Neumeier oder Hajo Fouquet.
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es ist doch seltsam, welcher arbeitnehmer wird subventioniert? bekommen die nicht den lohn, den sie verdienen? werden arbeitnehmer bei vw zum beispiel nicht entlassen? oder subventioniert niedersachsen vw doch? wer am fließband arbeitet ,kann nicht auf reisen gehen, orchester schon.
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Das ist doch Quatsch, Klaus Bruns! Ich bin im Leben oft umgezogen und habe, was die je neuen Friseure betraf, stets bloß zwei Wünsche gehabt: dass sie in der Nähe sind und dass sie mich nicht fragen, was ich denn beruflich mache. In Bienenbüttel hat mich das mal eine ganz und gar desinteressierte Friseurin gefragt, und ich habe dann nicht »Anwalt« oder »Bauingenieur« geantwortet, sondern die Wahrheit, und es war schrecklich, weil es mir vorkam, als hätte ich »Zirkusclown« gesagt. Ich bin jedenfalls sehr rot geworden, nie wieder hingegangen und auch bald weggezogen. Meinem jetzigen Friseur halte ich deshalb die Treue, denn er fragt mich nicht nach meinem Beruf, und ich frage ihn nicht nach seinem. Der Rest wächst sich aus.
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Auf Ihrem Photo dräut dunkel quellendes Gewölk von den Brodbänken her zwischen den immobilen Crato Villa– und Sallier Galeria-Sahneschnitten in die Richtung des mobilisierten Lüneburger Schrumpforchesters hinüber, Herr Jenckel. „Ihr“ Rathaus haben die musikalischen Aktivisten zwar, wie es aussieht, noch im Rücken (und auch die Hannoveraner sowie die Lübecker Kollegen haben sich gerade uneigennützig solidarisch erklärt), aber alle Zeichen der Arena-Rundum- und Audimax-Mitfinanziers stehen auf Sturm, oder? Werden die ostpreußischen Hugenotten Lüneburgs in naher Zukunft schon von der plötzlich explosiven kulturpolitischen Radikalisierung eines mouvement des gilets jaunes An den Reeperbahnen 3 zu erzählen haben?
Wahrhaftig, wir leben in volatilen Zeiten.
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Die genaue Zahl der Schülerinnen und Schüler aller Schulformen im Landkreis Lüneburg ließ sich nicht auf die Schnelle ermitteln. Doch gibt es Schätzungen, dass etwa 11.000 von ihnen vom Medienhaus Lüneburg einen kostenlosen Zugang zum LZ-Onlineangebot erhalten. Des Weiteren nutzen rund 9.000 Schülerinnen und Schüler im Landkreis ein Schülerticket. Bei knapp 180.000 Bewohnern insgesamt wird nicht zu hoch greifen, wer von 30.000 Schulpflichtigen ausgeht.
Ließe sich nicht mit allen Schulen des Landkreises vereinbaren, dass mindestens drei (bedarfsweise partiell oder komplett öffentlich geförderte) Bühnenbesuche (Musik, Tanz, Schauspiel) jeweils auf den Sekundarstufen I und II als (unterrichtsflankierte) Bildungsausflüge mit verbindlicher Teilnahme jedes Schülers angeboten werden? Auf der Primarstufe könnte in jedem Jahr das Weihnachtstheater zum festen Angebot im Bereich nichtdigitaler Kulturerlebnisse werden. (Der tertiäre Bereich kümmert sich dann selbst um sich.)
Mit solchen bildungsdienlichen Verabredungen wäre die wirtschaftliche Gesundung des Lüneburger Theaters natürlich nicht direkt und schon gar nicht bis übermorgen zu erreichen, aber es würden in der Breite die Voraussetzungen für ein in der Zukunft nachwachsendes Interesse an analogen Kunst- und damit an kopfdurchlüftenden Welt- und Weltbewältigungserfahrungen gepflegt.
Auch Frau Bauseneick, Herr Eggers, Herr Pietruck und Herr Doktor Schulze sollten vielleicht einmal überlegen, ob statt der bierseligen Korpsgeistbeschwörungen auf den jährlichen Feiern im Kreise der CDU-Parteimitglieder nicht eine gemeinsame Visite in der humanitären Sprech- und Verhaltenspraxis des Intendanten Friedrich von Mansberg angezeigt wäre. Ebenso effektive wie unterhaltsame Therapieofferten zur selbstreflexiven Optimierung von Maß, Ausdruck, und Anstand könnten zum Beispiel sein: „Tartuffe“ von Jean-Baptiste Poquelin, „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ von Bertolt Brecht oder „Holzfällen“ von Thomas Bernhard.
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Ihre Vorschläge gleichen der Frage ans Nutzvieh, welches Grünzeug es bevorzugt. Es wählt das Beste, das da ist. Nur ist es eben da, wo das Nutzvieh gerade ist. Was das Nutzvieh nicht riechen und nicht sehen kann, das kann es auch nicht wählen. Die Phantasie- und Wissensarmut der DramaturgInnen spiegelt zumeist die Wünsche der Geldgeber und des Publikums. Niemand schöpft die Freiheiten aus oder will sich ihnen eine kurze Zeitlang hingeben. Wenn Sie die Konsumenten oder Auftraggeber nach dem Kunstwunsch fragen, hören Sie nur, was kürzlich irgendwo gezeigt wurde. In den Medien ist es ebenso. Lehrer wissens auch nur selten besser.
Diese Krankheit nennt man „Opportunismus“, sie will Stücke und Musiken anbieten, die für jeden funktionieren und sich unbegrenzt vervielfältigen lassen könnten, denn unsere Synapsen hier sind so gebaut. Heilen kann die nur die frische Luft, die Freiheit, und die Toleranz..
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Und wie bildet, erhält bzw. erneuert sich das Heilende: Die frische Luft, die Freiheit und die Toleranz?
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Liebe*r christoph*ine,
zu jeder Kunst gehören zwei: einer, der sie macht, und einer, der sie braucht. Dieser Satz wird Ernst Barlach zugeschrieben. Wir unterhalten uns hier über das ökonomisch notleidende Lüneburger Stadttheater mit seinen „drei Säulen“, dem Schauspiel, dem Orchester und dem Tanz. Es geht also um ein Institut, das die interessierten Freunde „kultureller Selbstaufklärung“ in der hanse-artigen Bürgerschaft zum einen mit den Darbietungs- und Auslegungsmöglichkeiten von ausgewählten Proben der historisch tradierten Bestände in diesen drei Sparten bekannt macht, zum anderen im Rahmen des erfahrungsbasiert für zumutbar Gehaltenen aber auch „kreative“ Versuche experimenteller Grenzverschiebungen an den Außenposten dessen unternimmt, was von den „avantgardistisch“ eingeweihten, ergo tonangebenden Kreisen in einer gegebenen Situation für „innovativ“, „disruptiv“ oder wenigstens in einem nicht trivialen Sinne für „informativ“ gehalten wird.
Verrückt wäre zu verlangen, einen finanziell fortgesetzt am Prekären entlang schrammenden Berufsstand, unter dessen Angehörigen, um nur seinen minimalsten Anforderungen – und zwar unabhängig vom eigenen Talent – zu genügen, zugleich eine Art religiöser, um nicht zu sagen messianischer, jedenfalls ganz und gar unwahrscheinlicher Idealismus, eine kindliche Gutgläubigkeit, eine Naivität zum Niederknien, als herrschend vorausgesetzt werden muss, – verrückt, sage ich, wäre zu verlangen, das Achtgeben aufs Geld und auf geldversprechende Arrangements als „kunstfern“ oder als „Publikums-“ oder „Zeitgeistprostitution“ zu perhorreszieren.
Theatermacher mit „Nutzvieh“ gleichzusetzen, das nicht über den ihm (Von wem eigentlich?) gezogenen Zaun schaut, dem stets gerade „das Grünzeug als das Beste gilt, welches da ist“, wo dieses „Vieh“ eben steht und kaut, verrät einen Hang zur Lektüre von Joseph Goebbels Tagebüchern. Und „DramaturgInnen“ pauschal als „Phantasie- und Wissensarme“ zu bezeichnen, die sich willfährig den „Wünschen von Geldgebern und Publikum“ respektive „Konsumenten oder Auftraggebern“ andienen, und letztere, denen sich das Gros „der Lehrer“ zugesellt, als dulle Plempel zu stempeln, die nur wahrnehmen oder goutieren, was sie vom Hörensagen oder aus „den Medien“ kennen, das, liebe*r christoph*ine, ist entweder bei Ulf Poschardt („Shitbürgertum“) abgeschrieben oder es handelt sich um flachsten verschwörungstheoretischen Unfug, den ich nur deswegen nicht dem Reppenstedter Sozialanalytiker Klaus Bruns zuordne, weil ich ihm nicht zutraue, seine von ChatGPT „generierten“ Voreingenommenheiten so weitgehend von orthographischen und grammatikalischen Fehlern zu befreien, wie es Ihnen gelungen ist.
Auf den Käse von den „Synapsen“ möchte ich nicht eingehen müssen. Das überlassen wir bitte originären Philosophie-Titanen wie Svenja Flaßpöhler und/oder Richard David Precht. Aber die „Krankheit“, die Sie „Opportunismus nennen“, die, würde ich jetzt, da ich Sie besser kennengelernt habe, nicht nur als den Defekt eines Unterhaltungsautomaten beschreiben, der „Stücke und Musiken anbieten [will], die für jeden funktionieren und sich unbegrenzt vervielfältigen lassen könnten“, sondern auch als ein Leiden, dass vollkommen ignoriert, was sein eigener Träger, in diesem Falle Sie, liebe*r christoph*ine, an essayistischen Floskelmusiken und Blubber-Versatzstücken anbietet, einen Salat aus abgedroschenen Redensarten und nah und fern umlaufenden Vorurteilen, der als kostengünstige Laberbeilage garantiert für jeden Schnitzelesser bei jedem Thema „funktioniert“ und sich ganz sicher „unbegrenzt vervielfältigen lassen könnte“.
„Licht senden in die Tiefe des menschlichen Herzens“, auf so metaphernselig verkitschte Weise soll Robert Schumann „des Künstlers Beruf“ definiert haben. Warum eigentlich, liebe*r christoph*ine, wollen Sie nicht erlauben, dass auch Provinztheater mit einem durchschnittlichen Marketing und mit Dramaturgen (w, d, m), die nicht alle 38 Bühnenstücke, sechs Versdichtungen und 154 Sonette Shakespeares auswendig können, gutes bewirken können. Nicht jede Schülerin, nicht jeder Schüler, der seine ersten inszenatorischen Spektakel im Parkett An den Reeperbahnen in Lüneburg erlebt, ist so ein so teuflisch abgebrühter Programmkenner wie Sie.
Professor Christoph Meyer, Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein, hielt am 1. Oktober 2023 ein Plädoyer für unser Theater, das finanziell schon damals schwer angeschlagen war. Meyer, schrieb sein Freund Hans-Herbert Jenckel „ist Lüneburger, stolz und glücklich in einer der schönsten Städte des Landes aufgewachsen zu sein. Und Bühnenluft schnupperte er zuerst als Chorsänger am Theater Lüneburg. Der Kontakt ist nie abgerissen.“ Meyer bekannte:
Sollte das Lüneburger Theater kleinere oder größere Initiationswunder solcher Art heute nicht mehr bewirken können?
Finanzielle Klammheit, autoritäre Übergriffe, weltanschauliche Bigotterie, schwerfällige Akzeptanz, verteinerte Erfolgsmuster, ein stark begrenztes Rezeptionsvermögen und eine stark eingeschränkte Rezeptionsbereitschaft sind keine neuen Theater-Probleme.
Denken Sie an Künstler wie Poquelin und die Schranzen um Louis le grand, ans Wolferl und den Erzbischof von Colloredo oder an Rudolf Chamitowitsch und das Direktorium der Leningrader Vaganova-Schule. Wie hätte aus ersteren ein Molière, ein Mozart oder ein Nurejew werden können, wenn sie nicht Wege gefunden hätten, innerhalb des ihnen von den Verabredungen, Formen und Vorlieben, ja, von den Verboten und Vorschriften ihrer Zeit beinhart Aufgenötigten den bahnbrechenden Zauber enfesselnder, entgrenzender Siege über die menschliche Trägheit, Dummheit und Bosheit zu erringen und erfahrbar zu machen, wie beglückend es sein kann, wenn diese sehr ernsten Scherze, die Spiele der Phantasie, der Feinfühligkeit, Konzentration, Leidenschaft und der Wissbegierde unser Leben füllen und bereichern, temporär alle Erdenschwere von uns nehmen und uns – hoffentlich lang anhaltend – mit der Scham bewehren, die es uns erschwert wieder zu kleinkarierten, engherzigen Spießern, groben Egozentrikern und leichtfertig verallgemeinernden, die Unterschiede und das Besondere nicht achtenden Phrasendreschern zu werden.
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