Gemeinden müssten durch Kontrollgremium vor der Fördergeld-Falle geschützt werden

Lüneburg, 8. Januar 2018

Wir brauchen eine freiwillige Selbstkontrolle für kommunale Zuschüsse so wie es sie für Filme gibt. Nur so können Gemeinden vor dem Ruin geschützt werden. Denn mit gutgemeinten Förderprogrammen locken Bund und Land Dörfer allzu oft in die Kostenfalle.

In den 70er- und 80er-Jahren war es das üppige Fördergeld für Turnhallen. Selbst Dörfer, die es sich offensichtlich nicht leisten konnten, bauten mit breiter Brust. Es gab ja Zuschüsse. An den Folgekosten verschluckte sich so manche Bonsai-Gemeinde.

Oder die Zuschüsse für gepflasterte Fußwege. Allerorten finden sich in Dörfern solche Pflaster-Stummel unter Gras, die irgendwo anfangen und irgendwo enden, die nie in Stand gehalten wurden. Denn dafür gar es kein Geld. Stumme Zeugen einer unsinnigen Förderkulisse.

Der Lockruf des Zuschusses hat nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Das wird im Lüneburger Land beispielhaft deutlich am Lüneburger Museum und am Biosphaerium in Bleckede, wo ein Ratspolitiker und der Biber-Berater des Nabu, ein ein Befürworter der Biberburg, schon die Schließung empfahlen.

Beide Male stand der Zuschuss für den Bau in keinem Verhältnis zum Geld für den Inhalt, für das, worum es eigentlich geht. Für Steine wurden in Lüneburg zehn Millionen investiert, für die Präsentation anfangs so um die eine Million: Da bekamen selbst Experten vom Land Pickel auf die Stirn. Es muss mit Zuschüssen mächtig nachgebessert werden, denn die Besucher-Prognosen und damit die Eintrittserlöse waren zu optimistisch. Das ist in Lüneburg so, das ist in Bleckede so, und es ist die Schuld der Politik, nicht der Direktoren, die den Mangel verwalten.

Bleckede hat sich als Elbstadt mächtig gemausert, mein Liebling im Kreis. Aber das Biosphaerium in Schloss und Remise leidet genau an diesem Missverhältnis. Die Ausstellung, die im Schloss zu sehen ist, war einst die beste im Kreis, doch das war im 20. Jahrhundert. Sie ist schwer in die Jahre gekommen und müsste längst runderneuert werden. Und das gilt in meinen Augen auch fürs Biber-Gehege, das mit Millionen-Aufwand und Zuschuss gebaut wurde und das mehr durch das Ableben von kasernierten Bibern ins Gerede gekommen ist als durch eine exzellente Präsentation.

Was Einnahmen und Personalkosten angeht, hält man sich in Bleckede bedeckt. Dort sollen die Besucherzahlen laut Ratsmitgliedern um die 20 000 liegen, die 37000 aus der Machbarkeitsstudien werden nicht erreicht. Die Personalkosten werden davon jedenfalls kaum gedeckt, geschweige denn Überschüsse für neue Ausstellungskonzepte erwirtschaftet. Also müssen immer wieder Zuschüsse her.

Beide Einrichtungen, in Lüneburg wie in Bleckede, haben natürlich auch einen Bildungsauftrag wie zum Beispiel auch das notleidende Lüneburger Theater. Der Unterschied liegt darin, dass das Theater mit weit mehr als 100 000 Besuchern eine der besten Auslastungsquoten im Land hat. 

Die freiwillige Selbstkontrolle eines unabhängigen Gremiums würde auch mit Blick auf die Folgekosten entscheiden, welche Zuschüsse gut, welche zur Belastung werden. Schließlich geht es ums Gemeinwohl und um Steuergeld und mancher Kostenmoloch würde verhindert.

Hans-Herbert Jenckel

 

 

Über jj

Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
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14 Antworten zu Gemeinden müssten durch Kontrollgremium vor der Fördergeld-Falle geschützt werden

  1. Jürgen Kern schreibt:

    Freiwillige Selbstkontrollen funktionieren wie bezahlte Gutachter oder Dr. Volker Meyer-Guckel, der am Abend einen „Wissenschaftspreis“ für die Leuphana entgegen nimmt, den er ihr am Vormittag als Generalsekretär der Lobby-Organisation „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft“ selbst verliehen hat. Angehörige solcher Arrangements tanzen alle nach der Melodie: „Wes Brot ich fress‘, des Lied ich sing.“

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  2. Aniko Hauch schreibt:

    Lieber Herr Jenckel, Ihre Aufstellung ließe sich endlos weiterführen. So wurde unlängst in der Gemeinde Reppenstedt ein überdachter Fahrradständer gebaut. Kosten 25.000 Euro. Dumm nur, dass dort nie ein Fahrrad steht, aber es gibt ja Zuschüsse vom Bund. Oder da wird ein funktional einwandfreier Parkplatz vor dem Rathaus Reppenstedt für geplante schlappe 700.000 Euro umgebaut, obwohl die Samtgemeinde den höchsten Schuldenstand seit ihrem Bestehen nachweist. Über 12 Millionen Euro (LZ berichtete, daher darf ich das auch schreiben). Natürlich gibt es für den Umbau auch Fördergelder!!! Ich verstehe die Mehrheit von CDU und SPD hier vor Ort nicht, da werden neue Schulden gemacht, weil es ja Fördergelder gibt. Das ein Eigenanteil bei den Kommunen verbleibt, wird nicht bedacht und so steigen die Schulden von Jahr zu Jahr und am Ende werden mal wieder die Steuern angehoben.

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    • Thomas Sander schreibt:

      die Frage ist einfach. cui bono, wer hat den finanziellen Nutzen? Der Gedanke,dass eine gewisse Form der Korruption im Spiel ist, ist natürlich vollkommen abwegig…

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      • Dietrich Strunz schreibt:

        Thomas Sander, nicht immer nur so wachsweich wabernde Andeutungen, bitte! Tun Se ma Budda bei die Fischekens! Mit Ihrer Behauptung, „dass eine gewisse Form der Korruption im Spiel ist“, riskieren Sie eine ziemlich dicke Lippe. Ein Nachkomme von Hermann Reichenbach sollte Mut zum Konkreten haben, mein meine Oma Suse. „Aber wer keine Zähne im Maul hat, der kann natürlich auch nicht La Paloma pfeifen…“

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    • Klaus Bruns schreibt:

      upps, die fdp spricht mal wieder von steuerverschwendung? beim kassieren wurde sich noch nie beschwert. schon lustig. wer baute die fahrradständer? ein hartz iv empfänger? frau hauch, sie dürfen hier alles schreiben, ob es immer erscheint, ist eine andere sache. von fördergeldern und spenden lebt die fdp-klientel doch am besten. und sie sind dagegen? es geschehen noch zeichen und wunder.

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    • Peter Künzel schreibt:

      Hallo Herr Bruns,

      warum so ungalant? Wo Anikó Hauch recht hat, hat sie recht. Haben Sie es immer noch nicht überwunden, dass die Dipl.-Wirtschaftsjuristin den Parteivorsitz der Reppenstedter Freien Demokraten im Frühjahr 2015 nicht mit Ihnen teilen wollte, obwohl Sie ihr via LZ die größten politamourösen Avancen gemacht haben, die sich denken lassen?

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      • Klaus Bruns schreibt:

        Hallo Herr Künzel
        sie sind auf dem holzweg. stimmt, ich hatte ein gespräch mit frau hauch. dieser hauch war mir aber zu viel des guten. die idee mit einer leiharbeitsvermittlerin ausgerechnet den parteivorsitz zu teilen , ist für mich abstrus. schmunzeln. ich habe keine avancen gemacht und werde auch keine machen. p.s. der email-verkehr innerhalb der fdp, den ich rein zufällig, dank frau hauch, verfolgen konnte, hatte mir völlig gereicht.

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  3. Karlheinz Fahrenwaldt schreibt:

    Für mich von Interesse ist die Zusammensetzung des Kontrollgremiums. Mein Vorschlag: Sascha Spouhn und Holm Keller als unabhängige überparteiliche Fachkräfte für produktive Kreditschöpfungsprozesse, Herrn Hoppe als vielseitigen Impressario mit viel Zeit, Herrn Manzke Junior als geschichts- und geschäftskundigen Finanzplaner mit Weitblick und Gerhard Schröder für internationale Kontakte (als Ersatz käme auch Joschka Fischer in Betracht).

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    • Leuphana Combo i. A. Doris Vossler schreibt:

      Ist das nicht einmal eine sehr gute, eine ausgezeichnete Frage des Herrn Doctorandus rerum politicarum Fahrenwaldt, lieber Herr Jenckel?

      Wer selektiert, rekrutiert und besoldet die Mitglieder des „unabhängigen Gremiums für freiwillige Selbstkontrolle von fördermittelsüchtigen Profilneurotikern“ (UGFSFP) in der kommunalpolitischen Arena Lüneburger Schlant-oh-Schlant?

      Werden die von Oberbürgermeister Mädge promoviert wie Herr Dr. Karl-Heinz Rehbein, der „Nachhaltigkeitsbeauftragte“ der Stadt Lüneburg, der, seit seiner Bestallung im Mai 2012 de facto unsichtbar, immer dann einmal voller vorsichtiger Entschiedenheit den von der „Verwaltungsspitze“ gewünschten Finger hebt, wenn es gilt, den Rittern der bedenkenlosen flächenversiegelnden Fördermittelliebhaberei ihre „grundsätzlich“ ungeschmälerte Naturverbundenheit zu bestätigen? Oder kürt sie Herr Landrat Nahrstedt wie etwa Olaf Pahl, den Radverkehrsbeauftragten des Landkreises Lüneburg, der am Montag, den 1. Juni 2015 seinen verantwortungsvollen Ehrendienst ebendort antrat, und seitdem auch die eklatantesten Versäumnisse seines Chefs in Sachen Auf- und Ausbau unseres heimischen Radwegenetzes mit einem hochsympathischen Gesichtsausdruck wegzulächeln versucht?

      Woher wird das Expertengremium seine Legitimität beziehen? Welchen Status können seine Urteile haben? Wie unabhängig können seine Mitglieder von denjenigen sein, die sie bezahlen? Wie unabhängig von denen, die ihr Süppchen kochen und bereit sind, den einen oder anderen Fachmann aus dem Kreis der unabhänhigen Empfehlungsgeber mitlöffeln zu lassen?

      Muss es also zuletzt nicht auch ein Gremium für die freiwillige Selbstkontrolle dieses von Ihnen vorgeschlagenen unabhängigen Gremiums geben, das die freiwillige Selbstkontrolle der kommunalen politischen Gremien ins Werk setzen soll?

      Und – meine wichtigste Frage – : Worin, wenn solche Kontrollgremien installiert sind, sehen Sie eigentlich dann noch die Aufgabe des Rates, des Kreistages und der Vertretungen in unsere Dörfern und Gemeinden?

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    • Helge Jochum schreibt:

      Hallo Herr Jenckel,

      das sind gute Fragen von den Leuphanesen. Die von Karlheinz F. treten zwar als Scherz auf und sind (für Bockelsberger) satirethematisch reichlich plakativ, zielen aber in dieselbe sehr bedenkenswerte Richtung. Ihre zentrale Aussage („Gemeinden müssten durch [ein] Kontrollgremium vor der Fördergeld-Falle geschützt werden“) wird kritisch begutachtet.

      Antworten Sie nicht mehr, wenn Sie um Auskunft und Erläuterung gebeten werden? In der letzten Woche hatten Sie sich und Ihren Kollegen noch das dialogische Element als eine der heilsamen Zutaten in der Rezeptur für das Gesunden der periodischen publizistischen Arbeit empfohlen: „Der Journalist 2.0 will wieder zuhören, ja moderieren, den Bürgerdialog führen.“

      (Auch bei Herrn Rath, der in der Einarbeitungsphase sicherlich sehr vieles auf einmal zu lernen hat, scheint Ihre Botschaft noch nicht angekommen zu sein: https://jj12.wordpress.com/2017/12/30/das-leiden-der-2-0-reporter-2018-wird-alles-besser/#comment-1611)

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  4. Linda Franzen schreibt:

    Mich würde mal interessieren, was Ulrich Löb, Friedrich von Mansberg, Michèl Pauly und Niels Webersinn zu diesem Thema zu sagen haben. Die Illustration durch ein weiteres schönes Beispiel aus der Lüneburger Nachbarschaft würde helfen, das Prinzip, das in der Sache steckt, noch besser begreiflich zu machen. Die Schilderung von Herrn Müller leuchtet mir schon sehr ein: Ich benötige einen Besen, nehme aber fünf Paar Nagelschuhe, mit denen ich gar nichts anzufangen weiß, weil es die gerade staatlich subventioniert gefertigt, also supergünstig zu kaufen gibt. Ähnlich mit den Fördermitteln? Ich forsche in einem Bereich, der meinen Interessen und meiner Begabung gar nicht entspricht und auch nicht den Erwartungen meiner Studierenden, weil hier gerade Drittmittel zu ergattern waren? Wir bauen ein Schwimmbad, das wir nicht brauchen und uns nicht leisten können, weil wir die eine Hälfte des Baugeldes, geschenkt bekommen – aber die andere Hälfte eben nicht und natürlich auch nicht die erheblichen, später Jahr um Jahr anfallenden Unterhaltsmittel? Sind Auslastungsquoten wirklich das ausschlaggebende Kriterium, um zwischen den Ansprüchen des Biosphaeriums in Bleckede und denen des städtischen Theaters in Lüneburg zu entscheiden? „Beide Einrichtungen, in Lüneburg wie in Bleckede, haben natürlich auch einen Bildungsauftrag“, schreibt Herr Jenckel. Müssen wir aber dann nicht über die Inhalte dieser „Aufträge“ diskutieren, anstatt mit rein quantitativen Argumenten zu kommen? Könnte es sonst nicht darauf hinaus laufen, dass eines Tages ein anspruchsvoller, gut frequentierter Selfiepoint von Ulrich von dem Bruch, dem Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH, auf dem wundervoll bunt illuminierten Kalkberg für förderungswürdger gehalten werden muss als das Theater mit seinen Stuhlpatenschaften, einfach weil 200.000 Besucher im Jahr lieber sich und ihre propere Omi im Abendrot über Reppenstedt fotografieren als drei Stunden lang zuzusehen, wie am Ende des vierten Aktes in der Oper von Georges Bizet der dumme, verzweifelte José seine über alles geliebte Carmen ersticht?

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  5. Thomas Sander schreibt:

    Herr Jenckel, eine solche Forderung würde die Fähigkeit zu vorausschauendem Denken erfordern. Dies geht aber (nicht nur) den „Verantwortlichen“ und nicht nur hierorts ab.

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  6. Werner Müller schreibt:

    Die Förderkulissenschieberei und ihre absurden Auswüchse erinnert mich an die furchtbare Zentralverwaltungswirtschaft in der DDR. Meine Eltern (wie alle anderen auch) rannten vor ’89 zum Konsum, wenn Neues angeliefert worden war. Eigentlich brauchten sie einen Besen, aber es gab nur einen Schwung Nagelschuhe. Also wurden eben vier, fünf Paar Nagelschuhe gekauft, ohne dass die Größen stimmten oder klar war, was wir mit den Dingern überhaupt anstellen sollten.

    Die zentrale volkswirtschaftliche Planung hat im Vergleich zur dezentralen Wirtschaftsplanung für Märkte entscheidende Nachteile wie die erforderliche, aber leider an Sterndeuterei erinnernde Schätzung des Bedarfs an Gütern, die zu Fehlplanungen und Versorgungsengpässen führt, oder die bürokratische Trägheit und fehlende Flexibilität der Planungsbehörden, die eine langsame Anpassung an wirtschaftliche Veränderungen zum Nachteil der Verbraucher bewirkt. Dasselbe Problem kehrt bei der Bereitstellung und Allokation von „Fördermitteln“ wieder. „Gefördert“ wird im Prinzip nur die Missachtung des Subsidiaritätsprinzips und die wachsende Unfähigkeit zum selbständigen Denken dort, wo etwas Konkretes (und für die Gemeinschaft insgesamt Sinnvolles) „gestaltet“ werden soll. Die Folge sind kostspielige Irrläufer und konzeptionelle Verrücktheiten ohne jede Weit- oder Voraussicht. Das grellste Lüneburger Beispiel dafür ist der katastrophale, über Jahrzehnte in seinen gewaltigen Ausmaßen absehbare – und vorhergesagte – Mangel an bezahlbaren Wohnungen für Menschen mit „normalen“ oder „geringen“ Einkommen, für Menschen also, die in der großen Masse den Betrieb in unserer Stadt am Laufen halten.

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  7. Uschi Grothoff schreibt:

    „Die freiwillige Selbstkontrolle durch ein unabhängiges Gremium würde auch mit Blick auf die Folgekosten entscheiden, welche Zuschüsse sinnvoll sind, welche zur Belastung werden können. Schließlich geht es ums Gemeinwohl und um Steuergeld und mancher Kostenmoloch würde verhindert.“

    Hätte es so eine Einrichtung in Lüneburg schon 2006 gegeben, wäre uns der 150 Millionen-Euro-Wahnsinn mit dem schockierend hässlichen und dysfunktionalen Betonpanzer am Bockelsberg wohl auch erspart geblieben.

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