
30. Mai 2023
Der Generalbass der Lüneburger Politik schleppt sich durch die Jahrzehnte, die Verkehrspolitik ist das Fundament der Streitkultur. Ob die Verbannung des Autos, der Wegfall von Parkplätzen und schließlich das Hofieren des Radfahrers, der heute an allem Schuld trägt: Verkehrspolitik ist eine echte politische Dauerwurst.
Im Dezember 1990 wurde der Verkehrsentwicklungsplan, kurz VEP, beschlossen. VEP, dieses Kürzel, war wie ein Urknall in der Lüneburger Politik. Die ersten drei Jahre waren so hitzig, dass es bis 1993 dauerte, bevor der VEP „umgesetzt“ wurde. Vieles auch damals nur provisorisch. Die LZ schrieb am Freitag, 21. Mai 93: „Nichts wird nach diesem Wochenende so sein wie vorher.“ Das stimmte insofern, als dass der Hickhack um den VEP an Schärfe noch zunahm.
Seither verlaufen die Diskussionen, nicht nur ums Provisorische, stets entlang gleicher Linien, seit 30 Jahren. Die Kommentare von damals sind so taufrisch, als wären sie gestern geschrieben worden.
Warum also stecken wir in einer Zeitschleife fest? Weil der Verkehrsplan von 1990 im Kern für seine Zeit unglaublich mutig war – auf dem Papier. Als damals aber die Parole im Rathaus ausgegeben wurde, diesen VEP setzen wir mit „Bordmitteln“ um, verschätzten sich die Lokalpolitiker beim Grad der Veränderung und des folgenden Protestes wie bei der finanziellen Sprengkraft des Plans.
Mit Bordmitteln konnten weder die Kreuzungen umgebaut werden und schon gar nicht der Platz Am Sande. Der Umbau dauerte sechs Jahre, verschlang viele Millionen.
Der Sand wurde 1993 als „Leuchtturm“ des VEP mit viel Brimborium „provisorisch verkehrsberuhigt“. Der Leuchtturm allerdings flackert bs heute. Mal wird der Platz als schönster Busbahnhof Deutschlands verulkt, mal wird er als Paradestrecke der Prahler für ihre Boliden missbraucht oder von Handwerkern oder Gewerbetreibenden mit Ausnahmegenemigung für eine kleine Kaffeepause.
Die Debatten von heute um Parkplätze und Radfahrer sind Pipikram gegen das, was damals in Lüneburg an Streit lief. Die Zeitung nahm die Welle der Wutbürger in einer Telefonumfrage namens TED auf – alles noch ganz analog. Mehr als 11.000 Anrufe, ein Haufen von Ablehnung. Die FDP forderte stante pede den Rücktritt von Oberbürgermeister Ulrich Mädge, der damals im Morgen seiner Karriere das richtige Gespür hatte und der Kritik standhielt und recht behielt. Andere bekamen Angst vor der eigenen Courage, die CDU hätte am liebsten viele Straßen wieder geöffnet. Und so ging es weiter: Forderungen über Forderungen, Änderungsvorschläge über Änderungsvorschläge. Es war Improvisation in Progress.
Ich war damals Ressortleiter Stadt in der Zeitung, die mit großer Haushaltsabdeckung kampagnenfähig war. Und ich bedauere heute, dass ich die Zeichen der Zeit auch nicht erkannt und mehr als nötig die Karte der Kritiker gespielt habe. Das hat die Akzeptanz nicht gefördert. Das war falsch.
Und gerade Ulrich Mädge sollte sich erinnern an ein gemeinsames Zitat mit Oberstadtdirektor Faulhaber in der LZ: Dass es bei der Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplans Haken und Ösen gebe, sein ihm klar gewesen. Doch ohne Einschränkungen eines jeden Bürgers lasse sich das Ziel, das Zurückdrängen des Autoverkehrs aus der Innenstadt, nicht verwirklichen.
Eigentlich sollte er nicht Teil des Hintergrund-Grummelns sein, er müsste bei seinem Erfahrungschatz vermitteln. Was hat er nicht für verbale Prügel einstecken müssen für diesen VEP.
Der VEP heißt heute Verkehrswende, ist aber nur alter Wein in neuen Schläuchen und dazu noch so abgedroschen und mit sauschlechtem Image. Es kommt nicht auf die immer neuen Kürzel, Schlagwörter und Studien an, sondern auf Taten.
Umbruchzeiten sind schwierige Zeiten, auch eine Zeit der Verwerfungen. Die Bremser im Rat haben letztlich zu verantworten, dass der Sand als Leuchtturm des VEP nie so richtig ans Leuchten kam, weil das, was geplant war, nicht mutig genug zu Ende verfolgt wurde.
Bringt das, was vor gut 30 Jahren aufgeschrieben wurde, zu Ende. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Hans-Herbert Jenckel
D A S ist es!
Ulrich Mädge genauso wie Carlo Eggeling, das Dauermegaphon „of his masters voice“, sollten sich E N D L I C H damit abfinden, daß es für ihre OB-Kandidatin nicht gereicht hat.
Und Herr Mädge, der sich bei und seit der Amtseinführung von Kalisch mehr als schofelig gezeigt hat, sollte rasch ebenso dringlich über seinen Schatten springen, der DEMOKRATIE und DER STADT einen Dienst erweisen, das böse Gezischel im Hintergrund einstellen, das gütliche, das bescheidene Gespräch mit der amtierenden Oberbürgermeisterin suchen UND ihr offen und ehrlich mit Rat und Tat zu Seite stehen. Frau Kalisch ist eine sehr kluge Frau. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie eine Entschuldigung und ein ernst gemeintes Angebot zur stillen, nicht dominanten, sondern konstruktiven Mitarbeit zum Wohle unseres Gemeinwesens ablehnen würde. – Nur so würde der einstige ‚Oberuli‘ vielleicht sein Bild von den Trübungen wieder reinigen können, die er diesem mit seinem Verhalten seit dem 1. November 2021 praktisch in Akkordarbeit selber hinzugefügt hat.
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Ach ja, Frau Anne König,
da gibt es keine Ratssitzung, keine Ausschusssitzung, in der sich nicht der älteste, weiße Mann der Grünen am Alt-OB abarbeitet. Und so sorgt dieser Ex-Kanzelprediger dafür, dass der Alt-OB bei jeder Rats-, bei jeder Ausschusssitzung mit seinen klugen Entscheidungen, mit seinen klaren Aussagen, mit seiner Weitsicht, mit seinem Streben und Ringen für die Hansestadt im Raum ist. Und das ist auch gut so.
Und um Carlo zu bashen, muss man ihn ja lesen. Das sei Ihnen weiter gegönnt. Auch wenn es Ihnen auf´s Gemüt schlägt: Carlos wahre Worte tun mir gut.
Und die grüne OBin mag ja eine kluge Frau sein. Diese Hansestadt und die Verwaltung brauchen Führungsstärke. Entscheidungsmut. Entscheidungswille. Weitsicht.
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Du meine Güte, Herr Jörg Kohlstedt,
man muss lesen, wen man „bashen“ möchte? … Die Verwaltungsvorlagen sind nebst Anhängen im Bürgerinformationssystem ALLRIS frei zugänglich. Dort kann sich jeder informieren, bevor er schreibt (oder schimpft – oder applaudiert).
Wolf von Nordheim ist ein exzellenter Doppelkopfstratege. Warum setzen Sie, Herr Blanck und Uli Mädge sich nicht einmal mit ihm im einheitlichen Marschhufendorf Konau an einen runden Tisch und genießen das spielerische Beisammensein im sonnigen Garten…..Vielleicht sind Sie in manchen Fragen mit Ihren Antworten ja näher beieinander, als der parteipolitische Theatergraben zu erlauben scheint, der sich seltsamer Weise immer durch das Plenum im Huldigungssaal windet, aber außerhalb davon vielleicht gar nicht existiert?
Was den Alt-OB und seine klugen Entscheidungen, seine klaren Aussagen, seine Weitsicht und sein Streben und Ringen für die Hansestadt betrifft: Die sind Geschichte, Herr Kohlstedt. Niemand kann sich heute eine Stange Sahnebonschen dafür kaufen.
Alexander Hempelmann hat das gestern in der LZ (Mittwoch, 31. Mai 2023, Seite 4) ganz richtig formuliert: 1993 „atmete Lüneburg auf“ und siebzehn Jahre später (!) gab es für Mädges und Faulhabers (!) Husarenritt „sogar Lob aus der Kaufmannschaft. Rolf Böttger, damals Chef des Modehauses Hedemann an der Grapengießerstraße und langjähriger Vorsitzender der Werbe- und Parkgemeinschaft, lobte im Dezember 2010 (!) in der LZ: „Die Verkehrsberuhigung war der absolut richtige Schritt. Wir hatten und haben keine andere Chance.“ (Vgl.: https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/lueneburg/verkehr-in-lueneburg-als-anfang-der-90er-jahre-die-neuen-fussgaengerzonen-kamen-AJT4R3FMM5HKVAZW6VB3HW4J3M.html)
Aber „nicht alle damals diskutierten Ideen wurden tatsächlich umgesetzt“ bedauert Hempelmann. Und Peter Pez macht konkret, was das bedeutet: „Die Entlastungsdividende von 1993 ist aufgezehrt. Die Straßenbelastung drückt uns heute mindestens so wie 1990, als der VEP beschlossen wurde. Nun soll es ein Nachhaltiger Urbaner Mobilitätsplan (NUMP) richten – durch Förderanreize besonders für ÖPNV, Fahrrad und Fußgänger sowie durch Anstöße zum Umdenken durch Verkehrsberuhigung und -umlenkung.“ (LZ, ebd. S. 5)
Die Herausforderungen von heute, die von OB Kalisch, sind nicht die Herausforderungen von gestern, die von OB Mädge.
Markus Moßmann, Erster Stadtrat, in Lüneburg hauptverantwortlich für die Verkehrsplanung, betont zu Recht, es gehe um die Sache. (Ich ergänze: Es geht nicht um Eitelkeits- respektive „Image“-Kosmetika für selbstgerecht grummelnde Ex-Oberbürgermeister und ausgemustert greinende Landes- oder Bundespolitiker von SPD und CDU, die mitlerweile allesamt an eingeschränkter Affektkontrolle zu laborieren scheinen.) „Dabei dürfen wir“, so Moßmann, „nicht die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse gegeneinander ausspielen. Es ist aber doch klar, dass es bei Veränderungen immer Zugeständnisse braucht. Am Ende steht stets ein Kompromiss. Und Kompromisse bedeuten: Nicht jeder bekommt alles, was er möchte.“ (LZ, ebd. S. 4)
„Diese Hansestadt und die Verwaltung brauchen Führungsstärke, Entscheidungsmut, Entscheidungswille, Weitsicht“, Herr Kohlstedt?
Das klingt nach Max Weber (Seite 67 hier: file:///C:/Users/User/Downloads/ssoar-1926-weber-Politik_als_Beruf.pdf):
„Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Es ist ja durchaus richtig, und alle geschichtliche Erfahrung bestätigt es, dass man das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muss ein Führer [= eine Führungsperson, ein Entscheider (w, m, d) sein] und nicht nur das, sondern auch – in einem sehr schlichten Wortsinn – ein Held [w, m, d] sein. Und auch die, welche beides nicht sind, müssen sich wappnen mit jener Festigkeit des Herzens, die auch dem Scheitern aller Hoffnungen gewachsen ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht imstande sein, auch nur durchzusetzen, was heute möglich ist. Nur wer sicher ist, dass er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, dass er all dem gegenüber: ‚dennoch!‘ zu sagen vermag, nur der hat den ‚Beruf“‚ zur Politik.“
Ich stimme Ihnen zu, Herr Kohlstedt, Leidenschaft und Augenmaß, flankiert von Führungswillen und Entscheidungsmut sind für eine Oberbürgermeisterin unerlässlich, aber eben auch Klugheit, Umsicht, ein langer Atem sowie das Ernstnehmen von demokratischen Rechten und Pflichten.
Doch wenig geht, wenn „der Rat“ oder ein primär „profilierungsbegieriger“ Teil davon seine Nordic-Walking-Stöcke nicht dazu verwendet, um die Führungsperson zu begleiten bzw. ihr zu folgen, auch gedanklich zu folgen, sondern ausschließlich dazu, dieser jene zwischen die Beine zu werfen.
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