Logenplätze am Marktplatz auf dem Holzweg?

Hier soll die Oase am Markt entstehen, ich fand die Stühle-Solo-Lösung auch ansprechend. (Fotos: jj)

Lüneburg, 22. Mai 2023

Lüneburgs Kern strotzt vor tausendjähriger Geschichte und Baudenkmälern. Veränderung ist im Stadtzentrum immer ein Drahtseilakt, wird kritisch beäugt und notfalls bekrittelt. Und nicht alles, was gut gemeint ist, mündet auch automatisch bei Gut. Der Satiriker Kurt Tucholsky hat das so zugespitzt: Das Gegenteil von Gut sei nicht Böse, sondern gut gemeint. Gut, gut gemeint oder daneben, das wird sich auch bei der entstehenden „Oase“ am ehemaligen Lüneburger Schloss zeigen, heute Landgericht.

Ich war ganz und gar begeistert, als ich dort vor wenigen Tagen neue Stühle samt Tisch entdeckte. Logenplätze mit Blick auf die beiden Lüneburger Machtzentren der Geschichte: Links flankiert das massige Barock-Schloss von Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg den Markt.

An der Stirnseite das Rathaus, der größte mittelalterliche bürgerliche Machtkomplex Norddeutschlands, einer Salzstadt angemessen. Heute auch mit einer teils historisierenden Barock-Fassade, mit Arkaden, Niedergericht und den Statuen von Karl dem Großen, Ernst dem Strengen und anderen Größen verziert.

Die Lüneburger hatten einst die Welfen aus der Stadt gejagt, die Burg auf dem Kalkberg geschleift. Aber die Herzöge kamen wieder. Und das Schloss ist dafür das Ausrufezeichen. Der Platz ist Machtanspruch pur. Bei gutem Wetter wird er von ganzen Touristen-Kompanien bevölkert, die Luna, Rathaus, Schloss und Heine-Haus ins Visier nehmen. 

Die neuen Stühle und Tische passen, jetzt muss ich passten schreiben, sich dezent ins Gesamtbild. Doch nun wurde drumherum ein Labyrinth aus Holzschachteln gestapelt, die viel Grün aufnehmen sollen. Das Dezente droht zu verholzen.  

Ich lasse mich gerne überraschen und bin froh, dass es sich um eine Lösung handelt, die schnell auch wieder abgebaut werden kann. Was Versuchsfelder angeht, wurde auf dem Marienplatz genug versucht und am Ende Imageschaden produziert.  

Und ich erinnere mich, dass in den 90er-Jahren auch schon mal die Bratwurst-Blechkiste am Markt die Rote Karte bekommen sollte, weil sie nicht ins historische Ambiente passe. Damals hatten, so wurde kolportiert, das „Küchenkabinett“ und Original „Opa Wurst“ alias Hermann Ilchmann die entscheidende Wende herbeigeführt. Die Bratwurst wurde kurzhand zum Kulturgut erklärt, die auf den Platz gehöre. Ob das der Hochbeet-Oase im Zentrum der historischen Machtachse zwischen Rathaus und Schloss gelingt, werden Bürgervotum und Rat am Ende entscheiden..

Hans-Herber Jenckel

Über jj

Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
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7 Antworten zu Logenplätze am Marktplatz auf dem Holzweg?

  1. Klaus Bruns schreibt:

    Herr Berg: Sie irren hier öfters. Nie wieder achtzig! : Dieter Hildebrandt, eine Empfehlung von mir

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    • Otto Berg schreibt:

      Schauen Sie unter meinem ersten Link unten, lieber Herr Bruns, zweiter Abschnitt („Minderwertigkeitsgefühle“), dritter Absatz. Zwinkerzwonker

      PS: Nur damit nicht auch Sie irren: Ich habe Scholz darum gebeten, die Sache nicht an die große Glocke zu hängen. Es war ein Moment zwischen dem Kanzler und mir: https://twitter.com/tagesschau/status/1661961584556613633

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      • Klaus Bruns schreibt:

        Meinl lieber Herr Berg, es erinnert mich an Hape Kerkeling und Königin Beatrix. Wer war da nochmal der Verwirrte? Können Wunschvorstellungen eigentlich wahr werden?

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  2. Otto Berg schreibt:

    Über Geschmack lässt sich streiten.

    Wo der eine ein „Kunstensemble“ aus nachtschwarz geflügelter Lunastele im Dialog mit anspielungsreichen Türbeschlägen des Tischlers Brüggemann erkennt, dort fühlt sich ein anderer „an eine Katzensäule erinnert, auf deren Kapitell Kater Karlo und seine Freunde begonnen haben, das Lüneburger Taubenproblem nach ihrer Art (art [engl.]: Kunst)“ zu lösen (https://blog-jj.com/2022/09/28/bruggemann/#comment-17991), — und wo die einen die initiale Avantgarde „grüner Oasen“ sehen, die „zum Verweilen einladen“, sehen andere eben „ein Labyrinth aus Holzschachteln“, welches „den größten [baulichen, einer Salzstadt angemessenen] mittelalterlich bürgerlichen Machtkomplex Norddeutschlands“ beeinträchtigt und womöglich den ästhetischen Vorstellungen von Ernst dem Strengen und Karl dem Großen (und vielleicht sogar noch denen von dessen Vater, Pippin dem Kleinen) nicht länger vollumfänglich entspricht.

    Die um Wohlwollen und Verständnis für diese gemeinwohldienliche Revolution des Kernstadtbildes werbende Pressemitteilung der Hansestadt von vorgestern, Montag, den 22. Mai 2023 („Grüne Oasen laden bald zum Verweilen ein“ – https://www.hansestadt-lueneburg.de/rathaus/aktuelles/pressemitteilungen/gruene-oasen-laden-bald-zum-verweilen-ein.html), ist am selben Abend (um 19:25 Uhr) bis auf die Überschrift unverändert bei LZ-Online erschienen („Neue Bänke, Liegestühle und Pflanzkübel jetzt auch am Lüneburger Marktplatz“ – https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/lueneburg/lueneburg-neue-sitzbaenke-in-der-innenstadt-laden-zum-verweilen-ein-5MYP247OKNFMXMOEP7Z4RIBGYY.html) und am Dienstag, den 23. Mai 2023, auf Seite 5 – im Theaterkostüm eines redaktionellen Artikels – auch in die Printausgabe gelangt (Überschrift: „Sie sind nicht nur zum Sitzen da“).

    „Veränderung ist im Stadtzentrum immer ein Drahtseilakt, wird kritisch beäugt und notfalls bekrittelt“, stellt Hans-Herbert Jenckel fest, der dabei aber nicht an die verkniffen sprotzende Ejakulationsinstallation (von lateinisch ‚eiaculari‘ = ‚auswerfen‘) in der Nähe des historischen Standortes vom alten Reichenbachbrunnen vor dem Immobilienfilet unserer Mitmach-IHKLW am Sande denkt (vgl.: https://www.winsener-anzeiger.de/lokales/278110-wasserspiel-eingeweiht-acht-kleine-fontaenen-sprudeln-vor-der-ihk-auf-dem-platz-am-sande-in-lueneburg/).

    Dass geäugt und gekrittelt wird, kurz: sich über Geschmack – gelegentlich sogar mit Gründen – herrlich streiten lässt, beweisen aufs Schönste die 42 Kommentare unter dem Oasen-Teaser auf LZ-Facebook, von denen die eine Hälfte der Sache eine Chance zum Reifen, sich Bewähren und Schattenspenden auf ideen-kahlem Pflasterareal geben möchte, während die andere Hälfte spottet, rundheraus ablehnt und (meist auf alles Neue kaprizierten Vandalismus antizipierend) verdammt: https://www.facebook.com/landeszeitung/posts/pfbid02LRSSmF2pVnJa8LzEVmbtafjLCem9BzfbMnVFyai2N686gEb8kaX2qNokLiuNR8uBl

    Doch klingt hier nur vage an, was sich unter den 54 Kommentaren unter dem Blog.jj-Teaser auf Herrn Jenckels Facebook-Account in drastischer Dynamik artikuliert.

    Dass „Ossis“ – ganz pauschal – Leute sind, die (a) anderen in den Rücken geschossen haben, (b) erwarten, dass ihnen (von „den Wessis“ gebratene) Tauben in den Mund fliegen, (c) mit dem trüben Gedankenmüll der AfD sympathisieren, (d) sich bereichern wollen und (e) irgendwie für „die Gefahr aus dem Osten“ stehen, war gestern kurzzeitig unter dem Brücken-Artikel dieses Forums zu lesen, bis es – zum Glück – gelöscht wurde: https://blog-jj.com/2023/05/19/mit-der-elbbrucke-ins-guinness-buch-der-rekorde/#more-8485

    Überboten wird das Schema solchen generalisierenden Meinens in sehr dummen Voreingenommenheiten aber um Längen von einem ehemaligen Lüneburger Bundestagsabgeordneten, der seinem primitiv-aggressiven Pflanzenholzkübel-Ablehnungsreflex implizit gleich noch eine Art fantasierter Handlungsanleitung beilegte:

    — Eckhard Pols schrieb gestern bei JJ-Facebook: „Hoffentlich werden die nicht über Nacht abgefackelt. Dann brennt das Schloss gleich mit ab. Wie kann man nur so einen Quatsch dahin bauen?“ (Und bekam zwei „Likes“, einen von Rosemarie Ebeling, einen von Marlon Suhrke)

    — Martin Schröder antwortet wenige Augenblicke später: „Eckhard Pols, da animiert aber jemand gleich die Leute mit solchen Ideen. Wie kommt man als Politiker gleich darauf? Die Aussage kann man ja fast mit Trump seiner vergleichen. Er hat offiziell nicht zu dem Sturm auf das Capitol aufgerufen.“

    Martin Schröder sei Dank!

    Nicht die Frauen, die kurze Röcke tragen, sind an Vergewaltigungen schuld! Nicht die semitischen Ladenbesitzer für die ihnen zertrümmerten Schaufensterscheiben verantwortlich! Und nicht der Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass er ermordet wurde, weil er sich für Geflüchtete einsetzte und sich gegen Pegida-Anhänger positionierte.

    „Aber kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt, / Aus Gedanken vielleicht, geistig und reif die Tat?/ Folgt die Frucht, wie des Haines / Dunklem Blatte, der stillen Schrift?“

    Eckhard Pols sollte sich schämen!

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    • Klaus Bruns schreibt:

      ist es nicht frustrierend wenn man merkt, das der berg, genau wie der prophet ,im eigenen land bertrachtet wird? zitat :es bleibt vermutlich so, dass wir nicht weiser werden und bis zum grabensrande leider auch nicht leiser werden, na, allenfalls wird sich die faust verstohlen in der tasche ballen und große schnauzen werden in den meisten fällen nie drauf fallen. man wird der bleiben der man schon von anfang an gewesen.

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      • Otto Berg schreibt:

        Lieber Herr Bruns,

        ich nehme Ihre Entschuldigung an!

        Außerdem weiß ich, Sie sind inzwischen immer noch 72 Jahre jung, also vom „Grabesrande“ weit entfernt. Adenauer war 73, als er im September 1949 Bundeskanzler wurde und das dann 14 Jahre lang, bis zum 15. Oktober 1963, blieb.

        „Das Alter“ hat viele Vorteile, lieber Herr Bruns, aber natürlich nicht nur. Sehen Sie hier: https://aeltere-generationen.feg.de/impulse/impulsefuerdiearbeit/7-vorzuege-des-aelter-werdenden-menschen/

        Und „das Alter“ entschuldigt vieles, Herr Bruns, aber nicht alles. Herr Dr. Gerhard Scharf musste das erleben, nachdem ihm im Januar 2018 vor eingeschaltetem Mikrophon „das Messer in der Tasche aufgegangen“ war. Das von Ihnen (Ihre „faust verstohlen in der tasche ballend“) in der letzten Woche skizzierte, sehr einseitige Bild „der“ Ostdeutschen gibt derzeit wieder – berechtigten – Anlass zu heftigen öffentlichen Debatten (in denen leider auch die Gegenpositionen häufig wenig ausgewogen, will heißen, nicht sehr gut durchdacht zu sein scheinen). Ein Beispiel aus den letzten Tagen, welches – aus beiden Gründen – das Zuhören lohnt: https://www.youtube.com/watch?v=WjlOtXnRkvc

        Ich versuche, was Kollektivbezeichnungen („Ossis“, „Wessis“, „Politiker“, „Lottogewinner“, „Ältere“, „Jüngere“ etc.) angeht, mich an die Warnung von Wilhelm Meister zu halten:

        „Allgemeine Begriffe und großer Dünkel sind immer auf dem Wege, entsetzliches Unglück anzurichten.“

        Meines Erachtens sind auch Schluris (nicht anders als Friseure, Ingenieure oder Redakteure) stets Personen, die mindestens einen Nom de Plume besitzen. Damit sollten sie auch angesprochen werden. Für seinen Geburtsort, seine Schuhgröße und seine Muttersprache dagegen ist niemand verantwortlich.

        Der in vielen Dingen seiner Profession überaus firme Chef (V. i. S. d. P.) unserer Tageszeitung sieht das allerdings anders: Wenn etwa „Otto“ die „Performer“ windiger Machenschaften als Individuen (und nicht als Vertreter einer Gattung) adressiert, sei der „sarkastisch“ und ziele „auf die Zurechnungsfähigkeit der handelnden Akteure aus Politik und Verwaltung“ oder aus der „Presse“, denn sogar „Journalisten“ wie „Malte“ – horribile dictu – hätten „ihr ‚Fett‘ abbekommen“. So dessen Klage in der LZ vom Sonnabend, 22. April 2023 auf Seite 9: https://www.landeszeitung.de/lokales/lueneburg-lk/kommentar-wer-ist-bloss-dieser-otto-berg-der-nicht-nur-zur-arena-so-viel-zu-sagen-hat-aber-seine-55SODUFHJFFSJPDSUNXOLTVN4Q.html

        In Frankfurt am Main ist vor drei Wochen, am 11. Mai 2023, ein 40-Jähriger, Herr Mike Josef (SPD), als Oberbürgermeister vereidigt worden, der 1987 als 4-jähriges Kind mit seinen aus Syrien flüchtenden Eltern nach Deutschland gelangt war. Ob „man“ der „bleiben [wird], der man schon von anfang an gewesen“ ist, weiß ich deshalb nicht zu sagen, lieber Herr Bruns, obgleich auch das nach Goethe klingt (vgl. die erste Stanze „ΔΑΙΜΩΝ, Dämon“ hier: https://www.deutschelyrik.de/urworte-orphisch.655.html).

        Ihnen möchte ich es wünschen. Denn, was wäre ein Bruns (was wäre er gewesen, was würde er sein) ohne sein Schmunzeln?

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  3. Sebastian Balmaceda schreibt:

    Mo

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