Ex-LZ-Chef Marc Rath lebt und arbeitet im Osten und schreibt über die Allgegenwärtigkeit der AfD

Parteienbindungen gab und gibt es im Osten nicht. Am Wochenende wurde das endgültig durchkreuzt. Die politischen Fliehkräfte dominieren. Warum der Osten Hochburg der AfD ist und was auch auf den Westen zukommt, das erzählt Marc Rath im Blog aus der Sicht des ostdeutschen Landbewohners. Rath kam 2018 von der Magdeburger Volksstimme als Chefredakteur zur LZ nach Lüneburg. Seit Februar 2022 ist er wieder im Osten, Chefredakteur der Mitteldeutschen Zeitung und seit Februar 2023 auch der Magdeburger Volksstimme. Ein journalistisches Schwergewicht im Osten, der aber auf dem Land lebt, und dessen Feldstudie manchen irritieren mag.

Was kommt denn da aus dem Osten auf uns zu? Die Frage ist schwierig und spannend zugleich. Ja, Deutschland ist – immer noch – in manchen Fragen zweigeteilt. Und wird es auch noch eine ganze Weile sein. Ein Riss, der auch mitten durch den Landkreis Lüneburg geht, wo die Elbe den Osten vom Westen trennt. Und selbst eine Brücke würde nicht lösen, worum es hier geht.

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am Sonntag war eines mit Ansage. Und dass nicht nur durch die Europa- und Kommunalwahlen drei Monate zuvor. Bei der EU-Wahl in Ostdeutschland hatten AfD und BSW vielerorts zusammen die meisten Stimmen. Und bei den Kommunalwahlen in „meinem“ Bundesland Sachsen-Anhalt lag am Ende die AfD vorne, fast zwei Prozentpunkte vor der CDU, die für sich gerne als Sachsen-Anhalt-Partei wirbt – oder geworben hat, muss man sagen.

Und wer genau aufs Land geschaut hat, war wenig verwundert. Wenn ich in diesem Frühsommer die 15 Kilometer von meinem Dorf ins malerische Tangermünde gefahren bin, kam ich in jedem kleinsten Flecken an AfD-Wahlplakaten vorbei – eines am Anfang und eines am Ende eines jeden Dorfes. Mal noch welche von der CDU, ganz wenige von der SPD. Grüne, Linke, FDP – Fehlanzeige. Im Nachbarort gab es ein Grillfest. Es war die einzige politische Wahlkampfveranstaltung. Und Sie ahnen sicher, von wem. 14 Interessenbekundungen für eine Mitgliedschaft sammelte die AfD dort ein, las ich in einem Facebook-Post. Bei 550 Einwohnern! Übrigens: Lediglich eine Wahlkampfzeitung steckte in unserem Briefkasten. Das leuchtende Blau war nicht zu übersehen.

Die etablierten Parteien
erleben eine Erosion

Das spiegelte auch mein Stimmzettel für die Gemeinderatswahl: 16 kandidierten für die AfD. Mit Abstand die meisten. Halb so viele für die CDU, noch weniger bei der SPD. Für die Auswahl bei der Wahl sorgten immerhin noch Wählerinitiativen. Linke, Grüne, FDP dagegen – Sie wissen schon… Die etablierten Parteien durchleben im Osten Deutschlands eine Erosion in der Fläche.

Nun ist die AfD in der 10.000 Menschen zählenden Einheitsgemeinde stärkste Kraft. Und was passiert: Der Haushalt, über den sich die Vorgängerräte mit der Verwaltung verbissen zerstritten – angenommen. Bei den Informationsveranstaltungen für die zahlreichen neuen Ratsmitglieder sollen die AfD-Vertreter am stärksten vertreten, die Interessiertesten und die Konstruktivsten gewesen sein.

Doch so harmonisch, ja, geradezu harmlos geht es nicht überall und auch nicht immer zu. Die AfD möchte gerne konservativ-patriotisch erscheinen, doch maßgebliche Frontleute sind offen völkisch-nationalistisch. Bewerber mit rechtsradikaler Vergangenheit mischen sich auf den Listen der Partei mit Menschen mitten aus der Gesellschaft. Das ist ganz offensichtlich Strategie.

Fehltritte werden von
der Partei gedeckt

Jüngst wählte die Landespartei einen Kandidaten auf einen aussichtsreichen Bundestagslistenplatz, der auf andere Art und Weise eine mehr als fragwürdige Vergangenheit hat: Porno-Darsteller, Exmatrikulation wegen des Erschleichen eines Studienplatzes mit einem gefälschten Zeugnis und Privatinsolvenz – so lauten die Vorwürfe. Von alldem nichts bei der Vorstellung, aufgedeckt danach von Reportern der Regionalzeitung. Die Parteispitze deckt das derzeit. Noch?

Nicht deswegen, aber trotz alledem: Die AfD wird gewählt. Weil sie einen Nerv trifft, der all das zu verdrängen scheint. Vielerorts – und dies nicht nur im Osten – wenden sich Menschen von der aktuellen Politik und ihren Protagonisten ab. Sie haben Angst vor Krieg, Überfremdung, sozialem Abstieg. AfD und BSW sind ihr Sammelbecken, weil sie sich bei ihnen mit ihren Sorgen wiederfinden. Die etablierten Parteien sind ja auch nicht (mehr) da oder wirken abgehoben in der Berliner Blase.

Die ostdeutsche Bevölkerung hat der westdeutschen eine Erfahrung voraus: Hier hat vor 35 Jahren der Druck der Straße das SED-Regime gestürzt. Das macht mutiger – und unberechenbarer. Parteienbindungen gab und gibt es seither nicht. Dadurch sind die politischen Fliehkräfte auch weitaus größer.

Ob ich da nicht verzweifelt sei und wieder in den Westen zurück wolle, fragte mich jüngst auf einer Geburtstagsfeier teilnahmsvoll eine gebürtige Dresdnerin, deren zugezogene beste Freundin sich nach süddeutschen Verhältnissen sehnt. Keinesfalls, entgegnete ich ihr. Ich finde, diese Konflikte und diese Situation muss man nicht nur aushalten, man muss sich ihnen stellen und mit ihnen umgehen – und zwar nicht mit Brandmauern oder Unvereinbarkeitsbeschlüssen.

Es gilt, genau hinzuschauen. Grenzen ziehen, aber nicht von vornherein ausgrenzen. Letzteres geht übrigens ganz praktisch schon nicht, wenn ein Drittel im Umfeld zur AfD-Wählerschaft gehört. Sich gegenseitig ernst nehmen und gemeinsam nach Lösungen suchen – vor Ort sollte, ja muss das möglich sein.

Journalistisch Grundtugenden
sind jetzt gefragt

Und ich bin froh, in Sachsen-Anhalt zu leben. In einigen thüringischen und sächsischen Landstrichen können Kontroversen gefährlich werden, trauen sich Journalisten nur in Begleitung von Sicherheitsdiensten auf Demos, meiden Menschen mit Migrationshintergrund bestimmte Bereiche. Hier droht eine Gesellschaft zu kippen.

Wie gehen wir Journalisten mit alldem um? Um es klar zu sagen: Die AfD ist keine normale Partei. Sie wird aus guten Gründen vom Verfassungsschutz beobachtet. Nicht alle ihre Mitglieder und schon gar nicht die Wählerinnen und Wähler sind rechtsextrem. Für uns heißt das: Genau hinsehen. Schreiben, was ist. Das sind journalistische Grundtugenden. Ohne Furor oder Schaum vor dem Mund, aber konsequent. Gerade auch vor Ort. Wenn wir Lokaljournalisten es nicht (mehr) tun, wer sonst?!

Was kommt da auf uns zu? Die  Frage ist berechtigt. Aber es gibt auf sie nicht die eine Antwort.

Marc Rath

Im aktuellen Kress-Interview sagt RBB-Extremismusexperte Olaf Sundermeyer, die AfD setzt sowieso ganz und gar auf eigene Kanäle, und nicht die klassischen.

Foto: Andreas Stedtler

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Journalist, Dipl.-Kaufmann, Moderator, Lünebug- und Elbtalaue-Liebhaber
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38 Responses to Ex-LZ-Chef Marc Rath lebt und arbeitet im Osten und schreibt über die Allgegenwärtigkeit der AfD

  1. Durchaus sehenswert zum Thema:

    https://www.ardmediathek.de/video/mdr-dok/der-osten-in-den-medien/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9zZW5kdW5nLzI4MjA0MC80NzEyNjItNDUxNTY1

    „Die ostdeutschen Bundesländer schaffen es mit Negativschlagzeilen oder zu Einheitsjubiläen oder Wahlen besonders oft in die überregionale Berichterstattung. Welche Auswirkungen haben die medialen Zuschreibungen bis ins Heute?“

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  2. Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

    Die Union hat eine Antwort auf die K-Frage gefunden, doch nicht einmal jeder Fünfte hält den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz auch für geeignet. Das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor. Den höchsten Wert erzielt demnach ein SPD-Politiker. Und trotzdem finden die CDU-Granden Merz geeignet? Müssen die verzweifelt sein. Braucht hier jemand dazu ein Link? schmunzel

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  3. Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

    was ist los in lüneburg? millionen für eine überflüssige brücke , die spd sagt nichts dazu. vonovia lässt grüßen. wie einfältig können politiker eigentlich sein?

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  4. Avatar von Andreas Janowitz Andreas Janowitz sagt:

    „Zufällig“ kauen unsere geistig minderbemittelten genau diesen Daten-Müll wider.

    https://euvsdisinfo.eu/de/des-kremls-sinnloses-desinformations-muellkatapult/

    Eine üble Beleidigung ist solcher Dreck- nichts weiter.

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    • Avatar von Jutta Heinemann Jutta Heinemann sagt:

      Herr Janowitz,

      wen meinen Sie? Wer sind denn „die Verräter“ und „unsere geistig minderbemittelten“, die einzig nach Wegen suchen, „die staatliche Ordnung zu zersetzen“ und die „genau den Datenmüll wiederkäuen“, den „Dreck“, den „die East StratCom Task Force“ anfertigt, „ein Team von Fachleuten hauptsächlich aus den Bereichen Kommunikation, Journalismus, Sozialwissenschaften und Russistik“, das „dem diplomatischen Dienst der EU“ angehört, „der vom Hohen Vertreter der EU geleitet wird“?

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  5. Avatar von Andreas Janowitz Andreas Janowitz sagt:

    Die Verräter suchen nicht nach „Lösungen“! Sie suchen einzig nach Wegen die staatliche Ordnung zu zersetzen. Deren belächelnswert idiotische Antworten auf selbst gestellte schwachsinnge Fragen sind nichts weiter als eine üble Beleidigung!

    Gerade heute bekloppte „Lösung“ auf dement debile „Fragen“ ertragen müssen- die allseits beliebte Abschiebung. Wohin? Darauf kommt niemand, der diesen debilen Daten-Müll konsumiert.

    Die Tik-Tok Idioten-Hölle gehört abgestellt.

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  6. Avatar von Demokrat Demokrat sagt:

    Merz (CDU) ,ist dabei die eigene Partei zu zerlegen. Die Partei soll Rechtsbruch mit ihren Forderungen begehen , um die AFD glücklich zu stimmen, damit diese die CDU streichelt , in die Arme nimmt, um dann geschlossen zusammen zu marschieren. Und das alles gegen bestehendes EU Recht. Genau so habe ich mir das demokratische Verständnis der CDU vorgestellt. Mit Sprüche klopfen, die sie selbst nicht mal einhalten kann, fängt es an, oder wer von der CDU hält gegen Merz dagegen. Ich höre und sehe keinen.

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    • Avatar von Andreas Sattler Andreas Sattler sagt:

      Daniel Günther, Michael Kretschmer und Hendrik Wüst können ihren Unmut gegen Merz kaum noch verhehlen.

      Ein Trump-Moment. Gerade nähren der braungebrannte Vorsitzende und einige seiner Bundes-CDU-Getreuen die Erwartung, sie könnten irreguläre Migration schnell und rechtssicher reduzieren. Was passiert, wenn das selbst in den CDU-geführten Bundesländern nicht gelingt? Die Radikalen werden profitieren, weil die CDU ihnen Mobilisierungsvorlagen zuspielt. Die in weiten Teilen rechtsextreme AfD könnte leicht herumbehaupten: „ Die Ampel hat es nicht geschafft, die CDU schafft es auch nicht, aber wir können es.“ Es wird Zeit, dass Fiddi nachzudenken lernt, bevor er große Reden schwingt.

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      • Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

        Nur 19 Prozent der Bürger halten den CDU-Vorsitzenden für einen geeigneten Kanzlerkandidaten.

        woran liegt das bloß? zu braun gebrannt?

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    • Avatar von Willi Banse Willi Banse sagt:

      Ohren und Augen auf, Herr Bruns, dann haben Sie bessere Chancen zu hören und zu sehen und brauchen nicht immer nur abzuspulen, was Ihnen Ihre Voreingenommenheiten diktieren.

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      • Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

        Willi Banse ,gehen Sie spielen. sie können mich ,,gern,, haben.

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      • Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

        Willi Banse, Sie sind einer der wenigen hier, wo ich überhaupt kein Interesse habe, eine ensthafte Diskussion zu beginnen. Sie sind ja nicht mal an der Lage, das persönliche wegzulassen. Voreingenommenheit ist wie immer bei Ihnen eine Unterstellung . In Zukunft werde ich Ihnen nicht mehr antworten. Sie können sich jeden weiteren Kommentar in meine Richtung ersparen. Ich hoffe , Sie haben es jetzt endlich begriffen.

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      • Avatar von Willi Banse Willi Banse sagt:

        Und Sie, Herr Bruns?

        Sind Sie nicht der einzige hier, „wo überhaupt nie ein Interesse hat, eine ensthafte Diskussion zu beginnen“?

        Anstatt Ihre stets apodiktisch zurechtgefönten Behauptungen zu begründen oder wenigstens die Quelle anzugeben, an der sitzend Sie das Behauptete aufgeschnappt haben, verkünden Sie – als vermeintlicher „Atheist“ – seit Jahren fast immer frei Ausgedachtes oder Halbverstandenes, als habe GOTT selbst bei Ihnen angerufen und Sie vor allen anderen exklusiv in Kenntnis gesetzt. (Hier erzählen Sie zwar, und zwar selten ohne Angeberei, Sie bekämen topgeheime Informationen von diversen Parteien und Bürgerinitiativen, aber der gespreizte Amplomb, mit dem Sie Ihre geballten Weisheiten verkünden, ist nur zu erklären, wenn Sie über eine direkte Verbindung in himmlische Sphären verfügen. (Das letzte Beispiel steht oben auf dieser Seite, wo Sie „die CDU“ in toto verunglimpfen, ohne die geringste Ahnung zu haben, das vorletzte Beispiel steht eben hier weiter unten, wo EJZ-Redakteur Groß die Luft aus Ihrem dekretierenden Geblubber rauslässt.)

        Ihre definitiv unwiderrufliche und endgültige Demission als Blog.jj-Kommentator haben Sie bei Blog.jj im Verlaufe von gut zehn Jahren mit starkem Abschiedspathos schon mindestens fünfzig Male schriftlich angekündigt. Ich bin gespannt, wie viele Stunden es diesmal dauern wird, bis Sie Ihr Versprechen (aufgrund von Blasensprudelüberdruck) nicht mehr einhalten können.

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  7. Volksabstimmung über eine neue Verfassung?

    Die Möglichkeit dazu gäbe es. Noch immer gibt es Artikel 146. Es ist der letzte und er besagt, das Grundgesetz verliere seine Gültigkeit, wenn eine neue Verfassung in Kraft trete.

    Das Grundgesetz war gedacht als Provisorium. Es wurde eines, das 75 Jahre hält und mit dem viele zufrieden sind. Aber vielleicht gäbe es die Chance, es noch besser zu machen.

    Damit könne die „emotionale Fremdheit“ Ostdeutscher mit dem vor 75 Jahren in Westdeutschland erarbeiteten Grundgesetz überwunden werden.

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    • Avatar von Bertolt Knacke Bertolt Knacke sagt:

      Hallo Detlef.

      für den Wahlkreis 37 „Lüneburg / Lüchow-Dannenberg“ werden von den Christdemokraten händeringend noch weitere politisch passionierte Kandidaten gesucht, die sich auf dem Nominierungskonvent in Dahlenburg am 27. September der Urwahl stellen wollen, so dass einer (w, m, d) von ihnen bei der Bundestagswahl (voraussichtlich) im kommenden Jahr antreten kann. Herr Eckhard Pols aus Lüneburg, Herr Uwe Dorendorf aus Adendorf und Herr Christian Carmienke aus Dannenberg scheinen wohl keine guten Karten zu haben. Der stärkste Mitbewerber, mit dem selbst Sie, Detlef, als ein Deutscher Wende aus Evern wirklich rechnen müssten, ist Herr Dr. Marco Schulze aus Neetze.

      Warum also machen Sie nicht mit? Wenn Sie gekürt werden und überdies anschließend die Direktwahl gewinnen, können Sie als Christ und Demokrat im Parlament dafür kämpfen, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln, um Ihr legitimes Anliegen („Eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung„) durchzusetzen.

      Das Verfahren für Verfassungsänderungen ist in Artikel 79 des deutschen Grundgesetzes geregelt, wo festgelegt ist, dass das Grundgesetz geändert werden kann, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Bundestages und zwei Drittel der Stimmen des Bundesrates dafür stimmen.

      Das letztlich entscheidende Kriterium für eine Aktivierung des Art. 146 GG liegt im konkreten historisch-politischen Erfolg entsprechender Initiativen.

      Also, Detlef, nicht immer bloß träumen und quatschen, sondern mitmachen!

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  8. Innerdeutscher Reparationszwist

    Selbst in den innerdeutschen Beziehungen sorgte das Thema der Reparationen für Spannungen. Die Siegermacht USA hatte zu Hause keine Kriegsschäden zu beklagen; die Sowjetunion hingegen lag nach 1945 in Trümmern. Und während die Amerikaner rasch bestrebt waren, der Bundesrepublik zu wirtschaftlicher Stärke zu verhelfen, und bei allerlei Entschädigungsforderungen aus dem Ausland ihre schützende Hand über die BRD hielten, demontierten die Rotarmisten rund 3.000 der ostdeutschen Betriebe. Bis 1953 büßte die DDR so rund 30 Prozent ihrer industriellen Kapazitäten ein und zahlte so nach Schätzungen zwischen 50 und 100 Milliarden Mark an den sozialistischen Bruderstaat.

    Mehr

    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-04/reparationszahlung-wiedergutmachung-kriegsschuld-deutschland/seite-2

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    • Schon klar, Detlef,

      mit dieser Info im Patronengurt, ist die Wahl der Neonationalprimitivisten (O. Berg) durch gut 30 Prozent der aktiven Wähler in Thüringen und Sachsen nicht nur erklärt, sondern auch gerechtfertigt.

      Da die Kaufkraft einer Mark aus dem Jahr 1953 der von drei Euronen im Durchschnitt des Jahres 2023 entspricht, kann sicher jeder Wende, der den momentan noch schwächelnden Herrn Höcke 2025, achtzig Jahre nach dem betrüblichen Ende des arischen Kampfes um Lebensraum zum Reichskanzler des wiedererwachenden Großdeutschland kürt, mit der Überweisung von 150 bis 300 Milliarden Euro auf sein privates Sparkassenkonto rechnen.

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      • Avatar von Würde Würde sagt:

        @ Traudel Schuster

        Es wäre rückblickend besser gewesen, anstelle der Forderung nach Ausgleichszahlungen der BRD an die DDR die moralische Anerkennung der Tatsache zu verlangen, dass die DDR die Hauptlast der Reparationen zu tragen hatte. Es hätte anerkannt werden müssen, dass sich die umfangreichen Demontagen und andere Reparationsleistungen nachhaltig auf die wirtschaftliche Entwicklung der DDR, insbesondere auf die Investitionen, ausgewirkt haben. Sie schlugen sich auch deutlich in der Größe des Rückstands gegenüber der BRD 1950 und in den folgenden Jahren nieder. Mit einer solchen Anerkennung hätten aus meiner Sicht die Bürgerinnen und Bürger der DDR auch mit mehr Würde in den Vereinigungsprozess gehen können.

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      • Detlef,

        das Thema dieses Blogs ist die Tatsache, dass in Thüringen am 1. September, also vor zehn Tagen, 398.323 (= 32,8 Prozent) von 1.214.400 wahlberechtigten Wählenden und in Sachsen am selben Tag von 2.358.480 wahlberechtigten Wählenden 721.695 Menschen (= 30,6 Prozent) eine rechtsextremistische, antidemokratische und zu großen Teilen verfassungsfeindliche Partei gewählt haben.

        Über 1,12 Millionen Leute östlich der Elbe wollen von Angst, Hass und Unfrieden säenden Hetzern regiert werden.

        Mir ist nicht klar, was Sie mir in diesem Zusammenhang mit Ihrem (übrigens nicht ausgewiesenen) Ausriss (siehe den 26. Absatz hier) sagen möchten. Ja, die wirtschaftlichen Schäden aufgrund der Ausplünderung durch die Stalin-Diktatur in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) waren gewaltig und sollen sich bis 1953 auf gut 90 Milliarden DM belaufen haben.

        Erklärt das die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen vom 1. September 2024?

        Da Würde für Sie offenbar ein exkulpatorischer Posten im windschiefen Aufrechnen von volkswirtschaftlichen Größen und politischem Wahnsinn ist, erlaube ich mir, das Folgende zu zitieren:

        Die Kosten der deutschen Einheit setzen sich aus der Übernahme von DDR-Verbindlichkeiten, Transferleistungen für die neuen Bundesländer und weiteren einigungsbedingten Sonderausgaben zusammen.

        Für die Gesamtkosten (Stand 2014) der deutschen Einheit einschließlich des Sozialtransfers liegen die Schätzungen zwischen 1,3 und 2,0 Billionen Euro, – jährlich um etwa 100 Milliarden Euro steigend.

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  9. Avatar von Otto Berg Otto Berg sagt:

    Lieber Herr Rath,

    schön, mal wieder etwas von Ihnen zu lesen. Seit dem örtlichen Aus- und Potsdamer Aufstieg der großartigen Anna Sprockhoff, dem Wandel des ewig unvergleichlichen journalistischen Lehrers und Leiters Hans-Herbert Jenckel zum geheimen Consigliere der nordostdeutschen Verlegerfamilien und seit Ihrer, des bissigen Rechercheurs und mutigen Levitenlesers, Berufung zum anhaltinischen Chefdirigenten der wichtigsten kommunalen Medienorchester Mitteldeutschlands, gähnt in unserer lieben Landeszeitung für die Lüneburger Heide leider eine Qualitätslücke, die trotz Joachim Zießler, Werner Kolbe und Altmeister Hans-Martin Koch bisher kaum zu kaschieren gewesen ist.

    Jetzt geben Sie ein Gastspiel als Rezitator aus dem West-östlichen Divan. Darin sind die profiliertesten (und lesenswertesten) Positionen die des Berliner Historikers lko-Sascha Kowalczuk, der meint, überwiegend frustrationsintolerante Ossis litten immer noch unter dem „Freiheitsschock“ von 1989, und die des Leipziger Germanisten Dirk Oschmann, der behauptet, „Der Osten sei eine westdeutsche Erfindung“, mithin eine Zuschreibung von Attributen wie Populismus, mangelndes Demokratieverständnis, Rassismus, Verschwörungsmythen und Armut, um „ die von drüben“, die Mosernden, wenigstens gedanklich klein zu halten – wie ehemals „die armen Verwandten“ vom Dannenberger Lande durch erfolgreiche Stadtmenschen in Hamburg Blankenese. Der Rostocker Soziologe Steffen Mau versucht zwischen diesen Polen zu vermitteln, indem er mit Ex-BRD und Ex-DDR zwei „Ungleich[e] vereint [sieht und nachweisen will], Warum der Osten anders bleibt“, – warum das aber auch kein Drama zu sein braucht, da ja beispielsweise auch Bayern anders als Schleswig-Holstein geblieben ist.

    Sie, Herr Rath, nehmen eher die Perspektive des Beteiligten ein, der ganz nah dran ist und vieles versteht, ohne jedoch alles entschuldigen zu können (bzw. zu wollen). Da folgen Sie Ines Geipel aus Dresden, die mit „Fabelland. Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück“ das vierte herausragende Buch zum Thema vorgelegt hat, im welchem sie anhand verschiedener Figurenschicksale die Frage verfolgt, wie der welthistorische Moment des Glücks der Befreiung von 1989 mit all dem späten Zorn und der nachkartenden Verleugnung zusammenpasst, wenn es um den aktuellen Zustand Deutschlands geht.

    Sie, Herr Rath, schreiben es selbst: Der antidemokratische, menschenverachtende und zu einem großen Teil verfassungsfeindliche, mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarende Extremismus der AfD ist längst kein Phänomen mehr, das noch irgendwen überraschen könnte.

    Sie sind „froh, in Sachsen-Anhalt zu leben. In einigen thüringischen und sächsischen Landstrichen können Kontroversen gefährlich werden, trauen sich Journalisten nur in Begleitung von Sicherheitsdiensten auf Demos, meiden Menschen mit Migrationshintergrund bestimmte Bereiche. Hier droht eine Gesellschaft zu kippen.“

    Deswegen frage ich mich, wie Sie glauben können:

    1.) Die AfD wird gewählt. Weil sie einen Nerv trifft, der all das zu verdrängen scheint. Vielerorts – und dies nicht nur im Osten – wenden sich Menschen von der aktuellen Politik und ihren Protagonisten ab. Sie haben Angst vor Krieg, Überfremdung, sozialem Abstieg. AfD und BSW sind ihr Sammelbecken, weil sie sich bei ihnen mit ihren Sorgen wiederfinden.

    und:

    2.) Die AfD ist keine normale Partei. Sie wird aus guten Gründen vom Verfassungsschutz beobachtet. Nicht alle ihre Mitglieder und schon gar nicht die Wählerinnen und Wähler sind rechtsextrem.

      Ist es nicht (1.) so, dass „ die AfD(in Wirklichkeit natürlich deren Einpeitschpersonal auf allen Ebenen) die Angst und den Hass entzündet, diese unermüdlich schürt, beider Ausbreitung großflächig vorantreibt, für das permanente Hochschlagen ihrer Flammen sorgt und sie zu gigantischen Feuerstürmen anfacht? Ja, sind nicht Angst, Hass und Hetze das eigentliche „Kernprogramm“ der Neonationalprimitivisten mit dem Kürzel AfD?
      Und wenn das so ist und (2.) wenn die AfD darüberhinaus seit langem „aus guten Gründen vom Verfassungsschutz beobachtet“ wird und praktisch jeder das weiß und diese „guten Gründe“ kennt (Herrenmenschdünkel, Gewaltbereitschaft und „Werte“ die Oskar Lafontaine, in anderem Zusammenhang und schon am 15. Juli 1982 im STERN, als „Sekundärtugenden“ bezeichnet hat, mit denen „man auch ein KZ betreiben“ könne), muss „man“ dann nicht auch konsequent sein und sagen: Wer diese rechtsextremistische Partei mit diesen rechtsextremistischen Halunken bei vollem Bewusstsein als Mitglied oder als Wähler „unterstützt“, ja, der oder die ist eben rechtsextrem? (Alice Weidel, Björn Höcke und Tino Chrupalla von der AfD, aber auch Sahra Wagenknecht vom BSW, sind in meinen Augen Condottieri der Panikmache, moderne Söldnerführer, geld-, macht- und ruhmgierige Unternehmer, in selbstinitiierten Unkulturkriegen des dauernden Aufwiegelns und des ruchlosen Gegeneinanderaufbringens, wie sie die Fürsten der italienischen Stadtstaaten vom späten Mittelalter bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts beschäftigten. Wer bei ihnen mitmacht, der weiß genau, warum er das tut. Und darum ist er ein Söldner, einer, der für vermeintlichen materiellen Gewinn an potentiell brutalen Geschäften beteiligt ist.

      Der aus Hannover stammende Michael Hampe, seit dem Wintersemester 2003/04 ordentlicher Professor für Philosophie an der ETH Zürich, schrieb letzte Woche am Wahlsonntag in der F.A.Z. über viele reale Probleme, die „wir“ in einem Deutschland des Stillstands haben, die jeder kennt, unter denen jeder leidet, aber sein Fazit lautet:

      Vielleicht gibt es gegenwärtig in Deutschland drei Arten von Menschen: erstens die, welche die ökologischen Probleme, den Angriff auf die freiheitliche Demokratie und den Generationenwechsel durch das Abtreten der „Boomer“ als Möglichkeit ansehen, die Lebensform zu erneuern, politisch, sozial und kulturell. Solche Menschen treffe ich gar nicht so selten. Zweitens jene, die durch die notwendigen Veränderungen verunsichert sind, überfordert durch die Komplexität der Situationen, die vor ihnen erstarren und lieber nichts als das Falsche tun. Und drittens die, denen auch nichts zur Gestaltung einfällt, die aber wütend sind, dass nichts passiert, dass neben die Veränderung einfach die Verwaltung eines Verfalls und leere bloß symbolische Reden getreten sind. Man bemerkt hauptsächlich die zweite und die dritte Gruppe, nicht die erste in der Öffentlichkeit. Gegenwärtig scheint die zweite die mächtigste. Hoffentlich stellt die dritte, die der einfallslos Wütenden, nicht bald die Entscheidungsträger.

      Erich Kästner, der am 10. Mai 1933 in Berlin auf einem „apokalyptischen Volksfest, das heißt unter dem johlenden Beifall der massenhaft Umstehenden, mit ansehen musste, wie „Emil und die Detektive“, sein von Kindern geliebter Erfolgsroman, von eifernden Professoren und entfesselten Studenten als „wider den deutschen Geist“ ins Feuer geworfen wurde, sagte (als einer, der „in der Heimat“ die komplette, auf jenes Autodafé folgende „Entwicklung“ miterlebt hatte) 1958 in Hamburg anlässlich des 25. Jahrestages der Bücherverbrennung:

      Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.

      Ja, Herr Rath, Ihren ersten Satz in Ihrem viertletzten Absatz unterschreibe ich, doch setze ich den Akzent anders:

      Es gilt, genau hinzuschauen. Nicht von vornherein auszugrenzen –, aber Grenzen zu ziehen!

      Mit den besten Grüßen

      Otto Berg

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      • Avatar von jj jj sagt:

        Lieber Herr Berg, was die LZ betrifft, so ist zurzeit sicher nach der Transformation vor der Transformation. Aber im Lokalen hat die LZ gerade mit Jan Beckmann wieder, was Aktualität und Nachfassen angeht, wieder zugelegt. lg jj

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      • Avatar von magnetic3ec5d88452 magnetic3ec5d88452 sagt:

        Lieber Herr Berg, schön, auch von Ihnen zu lesen. Ihrer Analyse würde ich keinesfalls widersprechen, sie ist eine kluge Fortschreibung meiner Einblicke. Beste Grüße.Marc Rath

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    1. Avatar von jj jj sagt:

      Ulrich Mädge (SPD) hat per Mail diesen Kommentar geschickt:

      Wir haben vor Wahlen 1986 und in den Folgejahren erklärt, zugehört, und das war das entscheidende: eine klare Sprache genutzt und Programme auch umgesetzt.

      Uwe Inselmann hat die Stadt und den Landkreis mit Plakaten zugepflastert – auch Neuhaus. Er hat mit Wolfgang Schurreit auf dem Markt in Neuhaus und Bleckede gestanden, wozu andere keine Lust hatten. Der große Unterschied ist, dass die AfD alles einsammelt, was auf die faschistischen Bäume klettert.

      Recht hat Rath, dass das Wahlergebnis „mit Ansage“ kam. Die Westparteien haben es versäumt, Strukturen im Osten aufzubauen. Es wurde eben eingegliedert ohne zu überzeugen, sondern mit teilweise abgehalfterten Wessis bis auf einige wenige Ausnahmen wie Biedenkopf. Oscar Lafontaine war der einzige in der SPD, der gewarnt hat. 

      Jetzt fehlt eine Führungsfigur aus dem Osten in jeder Partei .

      Verteidigungsminister Pistorius kommt im Osten nicht gut an mit seinem Kriegsgeschrei. (Anm. jj: Mädge sieht ihn als potenziellen Kanzlerkandidaten)

      Es ist doch gut, dass Herr Rath wieder im Osten ist und genau beobachtet.

      Ulrich Mägde
      ehemaliger Oberbürgermeister
      der Hansestadt Lüneburg

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      • Avatar von Helga Dreyer Helga Dreyer sagt:

        Sehr geehrter Herr ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Lüneburg Mädge,

        Oscar Lafontaine war der einzige in der SPD, der die Wiedervereinigung generell nicht wollte. Er geht heute offen damit um s.

        https://www.deutschlandfunk.de/oskar-lafontaine-blickt-zurueck-auf-1989-damals-wurde-ich-102.html

        Seine Warnungen waren anders aufgestellt, als Sie es jetzt darstellen, dabei ging es nicht um das Versäumnis eines Aufbaus von parteipolitischen Strukturen in Ostdeutschland.

        Mit freundlichen Grüßen

        Helga Dreyer

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      • Avatar von Inge Kröger Inge Kröger sagt:

        Frau Dreyer hat recht,

        kein anderer deutscher Spitzenpolitiker der Nachwendejahre stand der AfD gedanklich so nahe wie Oskar Lafontaine. Und zwar schon 23 Jahre, bevor „dieses Monster“ (Olaf Henkel) aus der Taufe gehoben war.

        Das perfide Spiel mit dem Sozialneid war immer und ist Lafontaines einziges politisches „Argument“ bis zum heutigen Tag, an dem er den antidemokratischen Einflüsterer für eine xenophobe, neu-stalinistische Personenkultpartei gibt.

        Um DDR-Bürger zu bewegen, in ihrer Heimat zu bleiben, schlug er sofort nach der Maueröffnung Wirtschaftshilfen für die DDR vor. Am 27. November 1989 riet er zudem dazu, den Zuzug von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik administrativ zu begrenzen. Er beauftragte die saarländische Staatskanzlei mit der Prüfung, ob die Übersiedlung rechtlich von einem Nachweis von Wohnsitz und Arbeitsplatz im Westen abhängig gemacht werden könne.

        Am 14. Juni 2005 erklärte Lafontaine auf einer Kundgebung in Chemnitz, der Staat sei „verpflichtet zu verhindern, dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“.

        Nachdem Sahra Wagenknecht sich Anfang 2023 unter anderem auf Druck der Linkspartei genötigt sah, in Bezug auf die angekündigte Kundgebung Aufstand für Frieden, sich von einer Teilnahme von AfD-Mitgliedern zu distanzieren, übernahm Oskar Lafontaine das Wort und „hatte gesagt, bei der Demonstration seien alle willkommen, die ‚reinen Herzens für den Frieden‘ seien“ (FAZ, 23. Februar 2023).

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    2. Lieber Herr Rath,

      kurz vor dem Lesen Ihres Blogbeitrags las ich zu den nun bewiesenen Verbindungen zwischen der #NoAfD und der Destabilisierungspolitik Russlands. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100482798/russische-propaganda-wir-unterstuetzen-die-afd-mit-allen-mitteln-.html

      Wahrhaft keine normale Partei.

      In der ehem. DDR herrschte ein tiefes Misstrauen gegenüber denen „da oben“, den Parteibonzen. Mein Eindruck ist, dass sich daran seit der Wende wenig geändert hat, zumal CDU und FDP als ehemalige Blockparteien Teil des Herrschaftssystems der DDR waren.

      Die Grünen sind 1993 mit dem Bündnis 90 fusioniert. Und obwohl Bündnis90 bestehend aus dem Neuen Forum, der Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) und Demokratie Jetzt aus meiner Sicht eine der treibenden Kräfte der friedlichen Revolution waren, bei  der folgenden ersten und letzten freien Volkskammerwahl der DDR am 18. März 1990 nur 2,9 % der Stimmen. Kann das daran liegen, dass Bündnis90 u.a. eine Alternative zum Anschluss and die BRD befürworteten, die viel Arbeit und Hirnschmalz für einen besseren Staat erfordert hätte, und das Winken der D-Mark und des westlichen Wohlstandes für viele DDR-Bürger*innen attraktiver war?

      Kann es ferner sein, dass die friedlichen Proteste in der DDR für Freiheit im Wesentlichen die Reisefreiheit und weniger die Presse- und Meinungsfreiheit meinten, wie es eine Ostberliner Freundin einmal formuliert hat?

      In der DDR war für jede* gesorgt. Fast jede* hatte Arbeit (wenn auch nicht immer etwas zu tun) und einen bescheidenen Wohlstand. Der Staat sorgte für jede* von Geburt bis zum Tod. Gibt es vielleicht in diesen unsicheren Zeiten, in der ständig Entscheidungen und Eigeninitiative gefragt sind, genau danach eine Sehnsucht?

      Wäre dem so, erklärte dies, warum Wähler*innen im Osten eine in Teilen rechtsextreme Partei, die Presse- und Meinungsfreiheit einschränken will, nicht schreckt. Vor allem dann nicht, wenn sie sich als Kümmer*in vor Ort gibt.

      Stimmt dieses, gäbe es bei den oft „alten weißen männlichen“ Wählenden der #NoAfd einen anderen Freiheitsbegriff als im Westen. Vergessen scheint Bespitzelung der Stasi bis in jede Familie hinein, die echtes Vertrauen selbst im engsten Kreis fast unmöglich machte. Dass die #NoAfd auf Denunziantentum setzen will, zeigt ja ihr Schulportal. Stört das die #NoAfD-Wähler*in? Offensichtlich nicht.

      Die Zahl der Menschen, die sich bewusst nur noch aus (rechts-)alternativen Medien informieren, wächst in Ost wie West. Es wird bewusst auf die Konfrontation mit Meinungsfreiheit verzichtet, um in der eigenen Blase sein Weltbild bestätigt zu bekommen. An Infoständen im Osten aber auch in Lüneburg fällt auf, dass Mensch bei Konfrontation mit Fakten seriöse Quellen nicht mehr anerkennen.  

      Wenn meine Analyse stimmt, müssen wir im Osten zunächst über die Bedeutung der Freiheit ins Gespräch kommen.

      Abschließend eine kurze Bemerkung zur Brandmauer: Der CDU-Samtgemeindebürgermeister Gerstenkorn ist auf Facebook mit einem aufstrebenden Hohnstorfer #No AFD-ler, der sich aktuell schon mal für die Kommunalwahl in Stellung bringt, befreundet. Meinen Hinweis darauf an Herrn Gerstenkorn ignoriert dieser. Wenn es denn auch im Alltag und den (Kommunal-)Parlamenten schwierig mit einer Abgrenzung wird, darf mensch es doch keine prophylaktische Anbiederung betreiben. Pragmatismus ist unvermeidbar, eine klare Abgrenzung nach rechts, wie sie Armin Laschet erfrischend gestern bei maischberger verkündete, bleibt oberstes Gebot.

      Ich bin gespannt auf Ihre Antwort.

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      • Avatar von Marc Rath Marc Rath sagt:

        Lieber Herr Poggensee,

        die Erwartungshaltung an Demokratie ist eine andere. im Westen die die repräsentative Demokratie im Verständnis klar verankert, im Osten werden – auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit – erwartet, dass Protest und Initiativen auch ein unmittelbares Handeln als Reaktion auslösen. Dass dies nicht geschieht, wird dann als Enttäuschung wahrgenommen. Ich denke, darauf lohnt es sich aber einzugehen – es kann ein Land bessermachen. Die Schwierigkeit, Konflikte auszutragen und andere Meinungen zu respektieren, erlebe ich von allen Seiten. An den extremen Polen ausgeprägter, aber ich kenne auch Grüne, die sich damit schwer tun, wenn man Regierungspolitik bzw insbesondere rot-grüne Gewissheiten anzweifelt. Das wird dann schnell als AfD-Denke gebrandmarkt. Beste Grüße Marc Rath

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    3. Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

      Herr Rath, nur mal so am rande, jemand der so am rande von 1000 euro rente bekommt, ist nicht bereit ,sich die dummen scherze der politik reinzuziehen, außer , er hat wie ich ,alles in der vergangenheit richtig gemacht. die selbst ernannten wichtigtuer , die im kern nur egoisten sind, werden das nicht verstehen. viele der politiker sind volkszertreter und keine volksvertreter. und warum? sie haben eine eigene rentenkasse , wie ihr journalisten .warum habt ihr eine eigene ?

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      • Bildung bringt also doch weiter, Herr Bruns:

        Kalenderblatt | 06. September 1896 * Karl August Wittfogel

        „Wenn neue wissenschaftliche Ideen aufkommen, so werden unvermeidlich alte Ansichten außer Kurs gesetzt.“

        Karl August Wittfogel, Historiker, Sinologe und Soziologe (* 6. September 1896 in Woltersdorf, Kreis Lüchow, Abitur 1914 am Johanneum in Lüneburg; † 25. Mai 1988 in New York City)

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      • Avatar von Rouven Groß Rouven Groß sagt:

        Hallo Herr Bruns,

        wie kommen Sie darauf, dass „wir“ Journalisten eine eigene Rentenkasse hätten?
        „Wir“ zahlen genau so in die allgemeine Rentenkasse ein wie jeder andere Arbeitnehmer und jede andere Arbeitnehmerin auch?
        Meinen Sie möglicherweise die „Presseversorgung“? Das ist eine Art der betrieblichen Altersvorsorge, in die unsere Arbeitgeber und wir selbst einzahlen…

        Meinten Sue das?

        Grüße aus dem Wendland

        Rouven Groß

        Redakteur

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        • Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

          Hallo

          Herr Rouven Groß, Gruß zurück.

          Für Menschen, die in kammer­fähigen, freien Berufen tätig sind (zum Beispiel Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Architekten, vereidigte Buchprüfer, Ingenieure oder Psychotherapeuten), ist ein berufs­ständisches Versorgungs­werk das eigen­ständige Vorsorge­system. Für diese Berufsgruppen besteht Mitgliedschaftspflicht und sie müssen einen bestimmten Teil ihres Einkommens dort einzahlen.

          ihr gehört nicht dazu?

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    4. Avatar von Klaus Bruns Klaus Bruns sagt:

      lieber Herr Rath

      sie übersehen da etwas. auch im westen ist die parteienbindung dahin, wenn es schwierigkeiten gibt. dann wird protest gewählt. die nsdap kam mit 30 % stimmenanteil an die macht. unser mp in niedersachsen ist der meinung, was im osten passiert, wird bei uns im westen nicht passieren. das sehe ich anders. die nächste bundestagswahl wird es zeigen. die vielen selbstgefälligen bei uns im westen , treiben die weniger betuchten förmlich in die arme der populisten und der rechtsradikalen. und was die cdu betrifft, sie wird den rechtsdruck nicht lange standhalten. hat diese klientel in der vergangenheit auch nie getan. so demokratisch stabil, wie die ,,konservativen“ immer gern tun , sind sie nicht. wehret den anfängen.

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