
Vorweg
Wer als Universalreisender zufällig auf unseren blauen Planeten stößt, könnte das Treiben da unten gut und gerne als wunderlich betrachten. Ein schönes Zuhause, und alle zerren daran herum, bis es ganz zerzaust ist. So ein Außerirdischer aus einem anderen Universum ist Carl. Er stößt auf einer Mission zufällig auf die Erde, nicht heute, nicht morgen, sondern übermorgen. Carl ist Navigator und mit seinem Captain unterwegs. Eine transgalaktische Dramödie, Happy End ungewiss.
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Carl, schau mal, da. Carl, nu guck doch mal.
Captain, ich kann jetzt nicht. Wir empfangen Störfrequenzen. Vielleicht Sox-Piraten.
Ja, aber guck doch mal, da. Sind das Meteoriten, die im Kreis schweben? Die glänzen. Oder Riesendiamanten? Carl, schau doch mal.
Captain, wir sind auf Karussell-Inventur, oder wie immer Sie diese milchigweißen Spiralnebel nennen wollen. Wir haben jetzt schon Zweimillionendreihundertdreiunddreißigtausend dieser Karussells in elf Zyklen inspiziert – in drei Universen. Was soll hier anders sein? Das sind bestimmt Piraten, die uns vom Kurs ablenken wollen.
Carl, die Dinger glänzen, navigier doch mal einen Tick dichter ran.
Capt‘n, Est Procul ruft, Zyklus-Inspektion.
Och, Carl.
Nachher sind das Piraten….Na gut, Sie sind der Chef.
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Entschuldigt, das klingt jetzt verwirrend. Diese beiden seltsamen blass-grünen Gestalten sind natürlich keine Menschen. Es sind Novix Puto, und sie kommen von weit her, aus einem Nachbar-Universum, und zwar aus der Rand-Galaxie Bubla 2. Ihre Homebase heißt Est Procul. Ja, was sind Carl und sein Captain für Wesen? Wir hier auf der Erde würden am ehesten sagen, es sind Droiden. Das trifft es zwar nicht ganz, aber wenn wir ein XXXL hinten dranhängen, würde Carl das wohl akzeptieren. Sein Captain ist etwas älter und deswegen nur XL. Für Carl ein bisschen lahm, aber mit Erfahrung und noch gut in Schuss.
Unter den Hybrid-Völkern der Universen zählen die Novix Puto zur Mittelschicht. Ihr ganz genauer Adresse lautet: Bubla 2/34/N024/B021. Im Pandora Sternenaufen ist es der dritte Planet hinterm Fixstern Bubla1.0. Aber das ist hier unwichtig. Carl und der Captain haben eine Mission: Spiralnebel zählen und auf mögliche Abweichungen untersuchen.
Sie landen jeden Zyklus, der 200.000 Spiralgalaxien umfasst, auf der Homebase. Speicher aufladen, Virenscanner und so. Das, was wir Zeit nennen, kennen sie nicht. Warum auch, für sie vergeht einfach nichts. Nur um sie herum scheint sich ständig etwas zu ändern, sterbende Sterne, verglühende Planeten, Galaxien-Staubsauer. Deswegen diese Inventurenreisen.
Damit wir hier auf der Erde mal eine Vorstellung haben, wie Carl diese für uns unermesslichen Entfernungen von Trillionen Lichtjahren zurücklegt. Für Carl ist ein Universum so groß wie ein Medizinball. Wir auf der Erde glauben, dass es davon nur einen gibt. Carl weiß, dass es eine Art Medizinball-Bad ohne Anfang und Ende ist. Carl denkt Mach4E=mc3. Der Captain ist etwas langsamer, das ist manchmal anstrengend. Aber die Novix Puto respektieren Erfahrung und nehmen Rücksicht. Carl kennt zwar keine Zeit, aber als er uns sichtet, ist es für uns schon 2120. Oder wie wir Menschen gerne so bilderreich sagen: 5 nach 12. So, weiter im Takt.
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Carl, ich bin sicher, die glänzenden Meteoriten oder Diamanten schicken die Störfrequenzen. Hol mal das Mega-Loop raus, das will ich aus der Nähe sehen.
Captain, der Zyklus ruft.
Caaarrl!!
Schon gut.
Hab ich’s doch gewusst, das sind keine Piraten. Das ist Schrott, verbeulte Riesendosen mit gebrochenen Greifarmen. Was sind das für Signale, Carl?`
Beim Maximus Puto, Sie haben recht, das ist eine Sabbelbude.
Carl, durch das Mega-Loop ist es deutlich zu sehen, das war nicht immer Schrott, die Dinger müssen einen Sinn gehabt haben.
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Was die beiden Universalreisenden sehen, sind alte Satelliten, die unseren Planeten auch 2120 immer noch umkreisen. Und was die beiden bald entdecken, darin sind Glanz und Elend der Menschengeschichte gespeichert.
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Carl, die Dinger kreisen um einen blau-braunen Planeten. Da ist eine Atmophäre, wenn auch mit viel gelbem Mief. Ich finde im Inventur-Lap nichts, was darauf hindeutet, dass es da bei der letzten Vorbeifahrt so aussah. Wann war da noch mal? Muss vor unserer Zeit gewesen sein.
Vor 21+“^“24 Zyklen, Chef.

Ha, da war ich noch gar nicht konfiguriert und destilliert, und an dich hat noch keiner gedacht.
Captain, in einer der Funkbüchsen scheint eine Bibliothek.
Schrott, Bibliotheken – wo kommt das her, wer hat das hier liegen lassen? Mach eine Notiz für die Uni-Facility-Abteilung mit Adresse. Unglaublich, was in diesem Universum alles geht. Carl, mit solchen Kleinigkeiten fängt es an. Und kaum, dass du dich versiehst, ist das ganze All vermüllt.
Carl, was steht denn da nun?
Chef, ganz komisch. Da finden sich nur zwei Zeichen: 0 und 1. Aber die in unermesslicher Größe und völlig durcheinander. Also nicht erst nur 0 und dann 1, nein ein völliges Durcheinander. Als wenn die Zeichen fluchtartig zurückgelassen wurden.
Schau in der Universen-Chronik nach, ob sich da was findet.
Chef, tatsächlich, als vor 16 Milliarden Jahren das Ü-Universum kollabierte, und das sich hier in einem Big Bang aufblähte, da wurde Milliarden Jahr später von einem Planeten berichtet, wo 0 und 1 als Speicherzeichen genutzt wurden. Warten Sie mal. Caipt’n, die haben damit ne Sprache generiert. Jetzt kommt Sinn in die O und 1, das sind sogenannte Nullen und Einsen und in der Kombination immer neue sogenannte Buchstaben.
Carl, das mit dem ewigen Big Bang geht mir gewaltig auf den Keks. Nichts bleibt wie es ist, ständig müssen wir auf Inventur-Reisen, weil da was einstürzt und hier was entsteht. Ein ewiges Kommen und Gehen.
Chef, das waren Ureinwohner, die haben immer alles aufgezeichnet, damit sie es nicht vergessen.
Ja, was hatten die denn im Speicher?
Der hieß Kopf, sehe ich, war nicht so gut trainiert, Captain.
Was heißt jetzt, nicht gut trainiert, Carl?
Die haben ständig daran gearbeitet, aber dazu muss ich später mehr lesen. Ich scanne erstmal.
Ureinwohner? Carl, sind die etwa noch da?
Wenn es funkt, alles deutet darauf hin.
Aber wo sind die? Carl, was steht denn nun in der Bibliothek?
Capt’n, das glauben sie nicht. Die senden noch. Die haben sich nur versteckt.
Wo denn, ich sehe nur Wasser und Wüste, ich kann nichts entdecken. Ja, wo?
Ich scanne ja schon.
Hier, Capt’n, das Gelbe ist Wüste, aber das Braune muss früher Grün gewesen sein.
Sind sie nun weg?
Nein, sie haben sich eingegraben..
Eingegraben? Warum denn das nun wieder?
Chef, ich scanne ja. Wikipedia, Brockhaus, Meyers Konversationslexikon, Sachsenspiegel, Schwabenspiegel, ein Haufen wilder Geschichten von Grüblern. Grübler waren hoch angesehen und haben dicke Bücher verfasst.
Hießen die alle Grübler I, II und so weiter?
Nein, warten Sie, Sokrates, Platon, Aristoteles, Rousseau, Diderot, Kant, Hegel – unglaublich viele Namen, unglaublich dicke Bücher.
Warum so kompliziert, ich denke, die konnten sich gar nicht so viel merken?
Deswegen haben Sie vermutlich die Bücher geschrieben. Aber das kann ich noch nicht mit Gewissheit sagen. Ich arbeite dran.
Carl, mir schwirrt der Kopf. Merk dir die Koordinaten. Hier startet der nächste Zyklus. Eingegraben. Zum Glück können die uns nicht sehen. Ab, nach Hause. Carl.
Achim Greser und Heribert Lenz (Greser & Lenz) sind die Gewinner des vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ausgeschriebenen „Karikaturenpreises der deutschen Zeitungen“. Die Jury würdigt eine Arbeit, die am 23. März 2022 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) erschienen ist:
„Unter dem Titel ‚Putin privat‘ wird hier der in Bademantel und Schlappen durch goldene Kreml-Türen vor sich hin latschende russische Präsident porträtiert, der einer salutierenden Militär-Charge den Befehl gibt: ‚Igor, richten Sie mir ein Blutbad an‘. Die Gleichzeitigkeit von privatem Auftreten, Glanz und maßlosem Auftrag verbildlichen die Grausamkeit, mit der Putin Russlands Krieg gegen die Ukraine führt. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde diesen Dienstag, 24. Januar 2023, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Rückblende 2022 in Berlin überreicht.“
Mehr hier: https://www.bdzv.de/service/presse/pressemitteilungen/2023/karikaturenpreis-der-deutschen-zeitungen-fuer-greser-lenz
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Lieber Herr Jenckel,
im Nachklapp gratulieren wir herzlich zum gestrigen Eintritt ins 69. Lebensjahr. Da jitt et nix zo kriesche! Bitte im Gedächtnis behalten: Als er bereits über 8 Monate weit in sein 74. vorgerückt war, wurde Konrad Adenauer am 15. September 1949 von einer Mitgliedermehrheit des Bundestages zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt — und 1953, 1957 und 1961 noch dreimal wiedergewählt. In den vier Jahren nach seiner Kanzlerschaft zwischen 87 und 91 schrieb Adenauer seine in vier Bänden erschienenen Memoiren (zusammen rund 2.400 Seiten) über seine politische Tätigkeit nach 1945 — , die folglich vier Monate, nachdem er 69 geworden war, begann.
Nachdem Frau Pörksen es nun nicht aus ihrer kleinen Kommunikationsklause heraus in die kaum sichtbaren Fußstapfen hinein geschafft hat, die unser immermüdes Borisle hinterlässt, und Frau Schröder-Ehlers nicht dessen Landtagsmandat ergattert, welches Frau Behrens bekommt, die für Herrn Pistorius nachrückt, der seines niedergelegt hatte und dessen Sitzverlust im Landtag am Mittwoch formal festgestellt wurde — , scheint es mir an der Zeit, lieber Herr Jenckel, dass Sie die Gestaltung der Bundes- und/oder Europapolitik nun ernsthaft in Angriff nehmen und das Abfassen von Carls „Recherche du temps perdu“ auf die ausgedehnte Besinnungsphase nach Ihrer bevorstehenden zwölfjährigen Kampfzeit um eine bessere Welt verschieben.
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Wauu, vielversprechender Neustart!
Gut, dass Zeichner und Autor ihren Lesern und Betrachtern etwas zutrauen. So kommt es nicht zu den befürchteten Anfängerfehlern. Statt mit ermüdend sich spreizenden Abwegigkeiten auf kursiv gesetzten Beipackzetteln zu langweilen, mit konfirmandenhaftem Stolz überflüssige Detailschilderungen auszubreiten und mit sprachlichen Wiederholungen von dem zu nerven, was ohnehin jeder sehen kann (seltsame blass-grüne Gestalten kreisen um einen blau-braunen Planeten), steuern unsere beiden professionell gewitzten kulturlüneburger Silberrücken mit ein, zwei prägnanten Bild-Wort-Panels wohltuend direkt auf eine knackige Pointe von Geist und Seele illuminierender Komik zu.
Daraus könnte ein Kinderbuchklassiker für moderne Erwachsene nach dem Vorbild des Räuber Hotzenplotz oder der Peanuts werden!
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Auf diese stille, fast wortlose Sonntagsseite, die am 20. Oktober 1963 in den amerikanischen Zeitungen gedruckt wurde, antwortete so viel, so laute und so widersprüchliche Leserpost wie auf kaum eine andere Folge des Comicstrips „Peanuts“, den Charles M. Schulz vom 2. Oktober 1950 bis zum 13. Februar 2000 ein halbes Jahrhundert lang schrieb und zeichnete:
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hatte 1962 und 1963 entschieden, dass die Garantie der Religionsfreiheit ein verbindliches Schulgebet in öffentlichen Schulen verbietet, auch in der Variante gemeinschaftlicher Bibellektüre am Anfang des Schultags. Beide Urteile ergingen mit nur einer Gegenstimme. Schulz erhielt zu seinen „Kleinigkeiten“ einen Leserbrief aus Houston, dessen Verfasser die Episode mit Charlie Brown und seiner Schwester Sally als Kommentar zu den Urteilen verstanden hatte. Viele Hundert Wörter habe er zu den Gerichtsentscheidungen gelesen, schrieb Texas H. Stevens, aber nichts sei so eloquent, kraftvoll und treffend gewesen wie „diese acht Wörter“ in der Comicbeilage der Sonntagszeitung, „vor den Hintergründen, die Ihr Genius ihnen beigegeben hat“. Der Historiker Blake Scott Ball hat für sein Buch „Charlie Brown’s America. The Popular Politics of Peanuts“ (Oxford University Press 2021) die Mappen mit Leserpost im Nachlass im Charles M. Schulz Museum in Santa Rosa in Kalifornien ausgewertet. Die acht Wörter vom 20. Oktober 1963 füllen drei Sprechblasen. Sally hat eine Neuigkeit für Charlie Brown und lässt ihn raten. Im letzten Bild verrät sie ihr Geheimnis: Wir haben heute in der Schule gebetet!
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